Geschichtlicher Abriss
Zur Geschichte Großvargulas
von den Anfängen bis zur ersten urkundlichen Erwähnung
Großvargula ist einer der ältesten Orte in Thüringen und war über einen sehr langen Zeitraum einer der Bedeutendsten. Die Ursache der letzten Aussage beruht auf seiner strategischen Lage. Ob seiner Furten war der Ort ein markanter Punkt in einem System von Handelsstraßen. (1)
Bereits zu Beginn der Existenz von Menschen in unseren Breiten, als die Spezies aus Afrika kommend das heutige Thüringen auf den Spuren der großen Tierherden durchstreifte, war der Übergang durch die Unstrut, die in jener Zeit einen völlig anderen Lauf als im 21. Jahrhundert hatte, ein Begriff. Ob er in einer Ursprache auf „aha“ endete, wissen wir nicht.
Das Leben des modernen Menschen war mehrfach gefährdet. Sein Gencode belegt, dass er zeitweise nur einer sehr kleinen Gruppe angehörte und somit fast alle seiner Gattung auf eine Mutter zurückgehen. (2)
Die Schöpfungsgeschichte der Bibel (3) erhält durch diese Aussage eine ganz andere Dimension. Klimaveränderungen bedingten eine Umstellung der Lebensweise der Menschen. Im Neolithikum wurden aus Jägern und Sammlern sesshafte Bauern, die sich mit Ackerbau und Viehzucht beschäftigten. (4) In der Geschichte von Kain und Abel (3) strebten beide nach der Gunst Gottes. Warum nahm er Abels Opfer an?
Um 5000 v. Chr. siedelten auch Menschen im Thüringer Becken. Eine große Einwanderungswelle aus dem Gebiet um das Schwarze Meer (4) erreichte auch unseren Ort. In unserer Fortschreibung der Chronik beschrieb Volker Götz diesen Vorgang ausführlich (Kapitel Archäologie).
Albert Arnstadt, der Verfasser der Chronik von 1920, schrieb von 3 Furten im Ort. Im Oberdorf, in der Winzer und im Unterdorf. „Vor und hinter dem Dorf war die Unstrut sehr tief.“ Lokalisiert man drei der Kirchen, die sich im Ort befanden, lagen sie in unmittelbarer Nähe der Furten. Die Protagonisten der christlichen Missionierung wählten zur Errichtung von Kirchen oft solche Plätze, die schon früher religiöse Kulte beherbergten. Es ist also sehr wahrscheinlich und bestimmt kein Zufall, dass die Cäcilienkirche, die Marienkirche und die Bonifatiuskirche direkt an den drei Flussübergängen standen. Auch die Wahl der Namen für die christlichen Gotteshäuser hatte bestimmt eine Ursache. Die Menschen, die am Beginn der Sesshaftigkeit
unseren Ort besiedelten, beteten zu weiblichen und männlichen Göttern, etwa der Fruchtbarkeit. Sonne und Mond waren solche Kultobjekte. Um die Standorte herum entstanden Häuser und Herbergen.
Dennoch ist es außergewöhnlich, dass sich vier Heiligtümer in unserem Dorf befanden. An den drei Furten beteten auch viele Menschen, die auf der Durchreise waren für ein glückliches Gelingen ihrer Unternehmung, opferten den Göttern und dankten ihnen. Sie waren unterwegs, um Waren aus verschiedenen Himmelsrichtungen zu transportieren und mussten zwangsläufig die Unstrut überqueren. Laut Eberhardt (1) gab es am Oberlauf des Flusses nur drei Orte, an denen es geografisch möglich war: Gottern, Thamsbrück und Vargula.
Der vierte Kultplatz befand sich auf der Höhe über dem Tal der Unstrut, der Simonshügel. Später stand auch dort eine christliche Kapelle, benannt nach Simon Petrus. Den Menschen unseres Ortes war der Erhalt dieses Erdhügels sehr wichtig. Er überstand Separationen und andere Veränderungen der ursprünglichen natürlichen Struktur um das Dorf. Über die genaue Bestimmung der Erhebung kann nur spekuliert werden. Es könnte zuletzt das Grab eines lokalen Herrschers gewesen sein. Als man begann, derartige Kultobjekte wissenschaftlich zu untersuchen, fand man keine Grabbeigaben mehr, sie waren bereits vorher verschwunden. Aus jener Zeit, der Bronzezeit, fand man in unserer Flur ohnehin keine Objekte.
Sollte es zum Ausbau des vorhandenen Windfeldes Richtung Kleinvargula kommen, werden notwendige archäologische Untersuchungen vielleicht etwas Licht in das Dunkel der Geschichte bringen. Es ist ohnehin sehr wahrscheinlich, dass Vargula zunächst auf dem Hochplateau links der Unstrut besiedelt wurde. Vom heutigen Ort Nägelstedt kommend, erstreckt es sich über eine große Fläche. Der Warthberg ermöglichte eine weite und freie Sicht Richtung Westen, Süden und Norden.
Reist man etwa 30 km an der Unstrut abwärts, gelangt man in der Nähe von Sömmerda zu einer weiteren Furt des Flusses. In Leubingen fand man ein bedeutendes Fürstengrab. Weitere bedeutende archäologische Funde in dieser Gegend lassen auf eine hohe Kultur in der Bronzezeit schließen.
Der Herr, der diesen Unstrutübergang beherrschte, hatte Kontrolle über den Ein- und Ausgang von Waren und damit Macht. Die Himmelsscheibe von Nebra soll im Besitz einer der Herrscher gewesen sein. (2)
Albert Arnstadt spricht in seiner Chronik von zwei weiteren Möglichkeiten der Sprachfindung für Vargula. Eine geht auf den römischen Feldherren Varus zurück, die andere weist den Namen als slawische Wortschöpfung aus. Er selbst bezweifelt beide Thesen. Die Römer durchstreiften das rechtsrheinische Gebiet bis zur Elbe, ein fester Aufenthaltsort in unserem Dorf erscheint aber unwahrscheinlich. Dennoch gibt es auf Grund der Veröffentlichung vom Herbst 2018 im MDR Nährboden für Spekulationen. Bei archäologischen Grabungen um Mühlhausen fand man Spuren einer Manufaktur für Nägel, die in römischen Sandalen verwendet wurden. Es bestand eine enge Beziehung zwischen dem germanischen Stamm, der die Fabrik betrieb und den Römern. Vargula liegt nur ca. 30 km vom Fundort entfernt, direkt an der alten Handelsstraße und war ein bedeutender Knotenpunkt.
Die Vorsilbe „Klein“ ist slawischen Ursprungs, deutet auf „Wenigen“, abgeleitet von „Wendisch“. Für den Ort Kleinvargula kommt also eine slawische Gründung in Betracht. Unser Ort mit der Vorsilbe „Groß“ geht dagegen auf eine germanische Besiedlung zurück.
Etwa in der Zeit, in der die Menschen die Hochterrassen der Unstrut verließen und sich im Tal der Unstrut ansiedelten, wanderten germanische Stämme in Thüringen ein. Wanderbewegungen gab es seit langer Zeit. Klimaveränderungen und Überpopulation in kargen Gegenden waren Ursachen. Auch die Gier nach dem Reichtum anderer Völker bedingte den Aufbruch in neue Lebensräume.
Vom Zeitraum um das 1. Jahrhundert vor Christus an siedelten germanische Stämme im Thüringer Becken. Der fruchtbare Landstrich wird von natürlichen Hindernissen begrenzt. Im Norden führt nur ein schmaler Durchgang, die „Porta Thuringica“, die Pforte Thüringens, zwischen Hainleite und Schmücke in das Herz des heutigen Bundeslandes Thüringen. Über Schmücke, Schrecke und Finne, uralten keltischen, altgermanischen oder noch älteren Bezeichnungen für Höhe, Berg oder Gebirge, gelangt man zur Ostgrenze der Saale. Der wilde Fluss entspringt gemeinsam mit drei anderen, der Naab, Eger und des Mains, im Fichtelgebirge. Alle Flüsse fließen in die vier Himmelsrichtungen. Die Saale reist vom großen Waldstein kommend über 427 km teilweise romantisch bis nach Barby und mündet dort in die Elbe.
Zentralthüringen, das Kernland um die Städte Erfurt, Weimar, Jena, Gotha, Eisenach und Bad Langensalza, wird im Süden durch das Thüringer Schiefergebirge und den Thüringer Wald begrenzt. Die höchste Erhebung des Mittelgebirges ist mit 982 m der große Beerberg. Der Kreis schließt sich im Westen mit der Werra, die Hainich und Eisfeld umschließt.
Hier in den Eichenwäldern, dem Namenspatron des Gebietes, entspringt der zentrale Fluss Thüringens. Die Unstrut teilt die Gegend von der Quelle in Kefferhausen bis zur Mündung nach 192 km bei Großjena in die Saale. Wollte man zu Beginn unserer Zeitrechnung ohne vorhandene Brücken das andere Ufer betreten, musste man eine Furt nutzen.
Die Germanenstämme hatten unterschiedliche Motive auf ihrer Wanderung. Manche zogen nur durch, andere kamen, um zu bleiben. Die fruchtbaren Böden boten den Neuankömmlingen hervorragende Bedingungen zur Landwirtschaft und damit zur Ernährung ihrer Sippen.
Aus den verschiedenen Gruppen bildete sich im Lauf der Zeit der Stamm der Thüringer. Zu dessen Ursprung gibt es verschiedene Theorien. Reinhold Andert (5) und Rüdiger Gebser (6) und gehen von einem Verbund der Hermunduren mit Angeln und Warnen aus. Frau Dr. Heike Grahn-Hoek weist auf eine Herkunft des Stammes der Thüringer aus den Reihen der Goten hin (7).
Die verwandtschaftlichen Banden mit Franken, Langobarden und Goten sind nach den Quellen unstrittig.
Großvargula lag mitten im Königreich der Thüringer. Ob das in jener Zeit größte Königreich eines germanischen Stammes rechts des Rheines (6) bereits zu Beginn des 4. Jahrhunderts mit König Merwig I. an der Spitze existierte, oder erst nach dem Niedergang der Hunnen in der 2. Hälfte des 5. Jahrhunderts mit Bisin als König entstand, wird unterschiedlich in den Quellen dargestellt.
Unstrittig ist das Bündnis der Thüringer mit den Hunnen. (6) Mit ihrem König Attila und dessen Bruder Bleda an der Spitze löste dieser Stamm, aus den Steppen Asiens kommend, eine Massenflucht in Europa aus, die Völkerwanderung. Dadurch änderten sich noch einmal Einwohnerstrukturen in sehr vielen Gebieten Europas und in Nordafrika und führten letztendlich zum Untergang des weströmischen Reiches. Der letzte Kaiser Romulus wurde 476 von dem Germanen Odoaker abgesetzt. Jüngste Forschungsergebnisse weisen ihn als Thüringer (väterlicherseits) aus (8). In Byzantinischen Berichten, in der Suda gesammelt, beschrieb man Taten seines Vaters Edekon, eines Thüringer Königs. Er war ein Vertrauter Attilas. Seine Söhne Onoulf im Oströmischen und Odoaker im Weströmischen Reich schrieben Geschichte.
Im Unterdorf, nahe der unteren Furt, gibt es im Volksmund eine Stelle, die als „Hunneiehln“ bezeichnet wird. Arnstadt nannte sie „Hunneneile“.
In den Nachbarorten hält sich für Großvargula hartnäckig der Name „Hunnevargel“. Manche nutzten ihn als Spottname, weil es angeblich so viele Hunde im Ort gab. Er könnte aber auch tatsächlich auf die Hunnen zurückgehen. Die strategische Lage des Flurstücks direkt an den alten Handelsstraßen im Süden des Ortes unmittelbar vor der unteren Furt war ein Garant für die Kontrolle eines größeren Gebietes. Von einem möglichen Lager aus erreichte man binnen Augenblicken die beiden anderen Furten im Ort. Zeugnisse des Aufenthalts der Hunnen in Thüringen sind gering.
Nach dem Untergang der Hunnen entstand in Europa ein Machtvakuum. Spätestens Mitte des 5.Jahrhunderts erreichte das Königreich der Thüringer seine größte Blüte. Es erstreckte sich im Norden bis zum Unterlauf der Elbe und der Magdeburger Börde, im Osten bis zur Saale, im Süden bis Passau an der Donau und im Westen bis zum Rhein. Sein religiöses Zentrum lag ca.5 km östlich von Vargula in direkter Sichtverbindung zum Simonshügel. Der heiligste Ort des Stammes war die Tretenburg. Wollte man von der rechten Uferseite der Unstrut zur Linken gelangen, gab es in unmittelbarer Nähe des Kultplatzes nur einen Übergang über den Fluss, die Furten in Großvargula.
Die Anbetung germanischer Götter kann man im Opfermoor Niederdorla nachempfinden. Die Rituale hinterließen Spuren. Interessant waren Funde aus dem dritten Jahrhundert nach Christus in Form von Schiffen. Sie könnten auf die Ankunft der Angeln und Warnen deuten.
Im Mündungsgebiet der Gera in die Unstrut befindet sich eine kleine Erhebung, die alljährlich von den Stammesangehörigen der Thüringer aus allen Gauen aufgesucht wurde. Hier auf der Tretenburg wurden heilige Kulthandlungen zelebriert und man hob nach alter germanischer Sitte den König aufs Schild. Der letzte König der Thüringer war Herminafried. Er, ebenso wie seine Vorgänger, betrieb ein Wanderkönigtum, das heißt, er zog im Jahreslauf zu verschiedenen Pfalzen und Königshöfen. Vargula wurde im Zusammenhang mit dem deutschen König Heinrich I. als Königshof genannt. Ob auch die Thüringer Könige hier wohnten, wissen wir nicht. Das Königstal in unserem Ort könnte seine Bezeichnung im Zusammenhang mit dem Thüringer Königtum erhalten haben.
Man fand in Thüringen archäologische Spuren des Königshauses, aber bisher kein Grab eines Königs mit dessen Beigaben. Die Berichte über die Familie stammten aus den Federn fränkischer Chronisten, Venantius Fortunatus und Gregor von Tours. Als Quelle dienten ihnen Erzählungen einer Königstochter, Radegunde. (9) In ihrem Klagelied, „De exicidio Thuringia“ beschrieb sie den Untergang des Thüringer Königreiches. Im Jahr 531 eroberten fränkische Soldaten unter Führung der Söhne Chlodwigs aus dem Haus der Merowinger das Gebiet. Sie waren mit den Thüringer Königen über ihre Großmutter Basina verwandt. (10) Vergebens suchten sie nach dem Hort der Thüringer. Um ihre Macht zu demonstrieren, mussten sie den Heiligsten Platz des Gegners beherrschen. Folgt man den Routen des Heeres, mussten sie um auf die Tretenburg zu gelangen, die Furten in Vargula durchwaten.
Einige der Eroberer blieben, andere aus dem Stamm der Franken folgten. Sie gründeten eigene Siedlungen und Dörfer. Ortsgründungen mit -heim Endungen gehen auf die Franken zurück, die mit -leben auf die Thüringer. Noch ältere Orte enden auf a.
Auch Großvargula hieß über einen kurzen Zeitraum Hochheim (Chronik). Die Sage des „Wunderbaumes“ spielte in jener Zeit. Die Franken hinterließen Spuren im Dorf. Ob sie den alten Königshof nutzten, einen eigenen gründeten oder in jener Zeit noch gar keiner existierte, entzieht sich unserer Kenntnis. Wissenschaftlich, mit Hilfe archäologischer Funde, konnte er nicht nachgewiesen werden. Es gab aber eine Sage, deren Wahrheitsgehalt sehr fraglich war und ist, dennoch Vargula in Verbindung mit einem der größten Herrscher der Welt in Verbindung brachte, mit Karl dem Großen.
Die inneren Verhältnisse des Frankenreiches unter der Herrschaft der Merowinger und dem Übergang der Macht auf die Karolinger wurde in zahlreichen Werken beschrieben. (10)
Großvargula in Thüringen lag im Gebiet der Ostgrenze des Reiches. Slawische Stämme lebten in der Nachbarschaft. Wie in allen Teilen der Welt, so auch vor Ort, war das Verhältnis zum gegenüberliegenden Part nicht immer friedlich. Grenzstreitigkeiten, feindliche Besiedlung der angrenzenden Räume, Raub und Plünderungen, aber auch friedlicher Austausch von Waren und Gedankengut gehörten zum Alltag. Der vom König der Franken eingesetzte Verwalter Thüringens besaß eine hohe Verantwortung. Die Besetzung des Postens bedurfte Augenmaß. Er musste loyal zum König stehen, aber auch eigenständige Entscheidungen treffen. Die geografische Entfernung zum Machtzentrum verleitete einige dieser Gouverneure zum Streben nach Autonomie. Die Chronisten berichteten von Aufständen. Herzog Hedan wurde in diesem Zusammenhang genannt. (11)
Auch der alte Thüringer Adel sehnte sich nach den früheren Zeiten der Eigenständigkeit und suchte nach Mitteln und Wegen, sich von der Fremdherrschaft der Franken zu befreien. Ein Indiz dieses Strebens war die Durchsetzung des alten Namens Vargula an Stelle von Hochheim. Adlige des Ortes Vargula beteiligten sich an einem Aufstand. Ihre Namen kennen wir, sie stehen in den ersten bekannten Urkunden Vargulas. Dieses erste schriftliche Zeugnis war das Resultat eines Aufstandes gegen den Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, Karl dem Großen. Die Sage seiner Zeugung verband ihn mit Vargula.
Um ihr Leben zu retten, schenkten die Adligen Walto, Roinold, Warmund und Buchard dem Kloster Fulda ihren Besitz. Das Datum der Schenkung konnte nicht genau bestimmt werden (Arnstadt). In Großvargula legte man sich auf das Jahr 786 fest und feierte alle Jubiläen in Bezug auf diesen Zeitpunkt.
Mit diesem Datum beginnt auf der Homepage unseres Ortes im Abschnitt Geschichte die Zeitrechnung und Beschreibung historischer Ereignisse und Personen. Die einzelnen Stichpunkte sollen in den nächsten Jahren durch ergänzende Berichte erweitert werden.
(1) W. Eberhardt : Thüringer Altstraßen
(2) Terra X
(3) Die Bibel
(4) Museum für Ur-und Frühgeschichte Weimar
(5) Reinhold Andert: Der Hort der Thüringer
(6) Rüdiger Gebser: Das Thüringer Königreich
(7) Dr. Heike Grahn-Hoek: Stamm und Reich der Thüringer nach
den frühen Schriften
(8) Wolfram Brandes: Thüringer in Byzantinischen Quellen
(9) Hardy Eidam und Gudrun Noll: Radegunde
(10) Reiss-Museum Mannheim: Die Franken
(11) Reinhold Andert: Der Fränkische Reiter
Von der ersten urkundlichen Erwähnung
bis zur Aufgabe des Ortes
durch die Schenken von Vargula
Eng verbunden mit der historischen Blütezeit Großvargulas ist das Geschlecht der Schenken von Vargula. Mit Hilfe von geschichtlichen Ereignissen kann man über ihre Anfänge spekulieren. Ihr Aufstieg zu einem der bedeutendsten Adelsgeschlechter des Mittelalters im mitteldeutschen Raum kann durch Urkunden belegt werden. Sie waren Ritter, Heroen ihrer Zeit, die in den Adelsstand aufstiegen.
Im Tal der Unstrut, wie im gesamten Thüringen kam es im 10. Jahrhundert zu Einfällen und Plünderungen der Ungarn. Albert Arnstadt berichtet über einen Raubzug, der sich bereits 724 abspielte und in einer Schlacht bei Nägelstedt gipfelte. Er bezeichnete sie als Hunnenschlacht. Im Thüringer Sagenbuch (Verlag Rockstuhl) beschrieb man eine ähnliche Geschichte auf der Tretenburg. Sage und historische Ereignisse könnten mit der Einbeziehung von Bonifatius verschmolzen sein.
Es ist durchaus denkbar, dass einzelne Stämme der Magyaren bereits zu diesem frühen Zeitpunkt Raubzüge nach Thüringen unternahmen. Von ihrem damaligen Lager im Süden des Ural waren sie auf Grund ihrer Fähigkeiten als bewaffnetes Reitervolk in der Lage, derartige Entfernungen zu überwinden. Ihren sagenhaften Aufstieg verdankten sie Fürst Arpad, der die 7 Stämme einte und in das Siedlungsgebiet der Pannonischen Tiefebene führte.
Um den Stammvater des Ungarischen Königsgeschlechts, der Arpaden, rankten sich analog anderer Herrscher Sagen. Ein Falke (Turul) war sein Totem. Er war der Sohn eines Skythen (Ügyek) und einer ungarischen Mutter (Emese). Als er 907 starb, war unter seiner Herrschaft ein ungarisches Großreich entstanden. (Wikipedia)
Sich der Macht ihrer Kampfkraft bewusst, unternahmen sie ab dem späten 9. und zu Beginn des 10. Jahrhunderts große Beutezüge in die angrenzenden Nachbargebiete. 907 zerstörten sie das Mährische Reich. Sie drangen in die Ostmark, des Fränkischen Herrschaftsgebietes Thüringen, ein und unternahmen große Raubzüge, verbunden mit Plünderungen in Bayern und Franken.
Anfangs fanden die deutschen Stämme kaum Gegenmittel, der militärischen Übermacht der Ungarn wirksam entgegen zu treten.
Im gleichen Zeitabschnitt der Ungarneinfälle änderten sich die Machtverhältnisse unter den deutschen Stämmen. Graf Liudolf stand an der Spitze germanischer Krieger, die durch Raub und Verkauf von Sklaven zu großem Reichtum gelangten. Neben Einkünften aus Landwirtschaft und Veredlung der Produkte, erzielten er und seine Gefolgsleute riesige Summen an Geld aus Beutezügen östlich der Elbe. Sie jagten Slawen, Männer, Frauen und Kinder, um die Gefangenen an muslimische Reiche in Nordafrika und Spanien zu verkaufen. Diese wiederum konnten mit den Einkünften aus dem Handel mit Kleidung, Gewürzen und Schmuck bezahlen. (www.kriegsreisende.de)
Mit dem enormen Gewinn erwarb er großen Landbesitz im Osten des Reiches der deutschen Stämme. Sein Sohn Otto erweiterte den Besitz auch im Gebiet südlich der Unstrut (Kleine thüringische Geschichte von Reinhard Jonscher und Willy Schilling). Die Nachfahren Liudolfs (Liudolfinger oder Ottonen) beherrschten ein Gebiet an der mittleren Elbe und im Harzvorland. Magdeburg, Quedlinburg, Nebra und Memleben waren bedeutende Orte der Region. 400 Jahre zuvor waren die Standorte Teil des Reiches der Thüringer und in der Bronzezeit Mittelpunkt einer frühen Hochkultur (Himmelsscheibe von Nebra, Fürst von Leubingen und archäologische Ausgrabungen im Saale-Unstrutgebiet). Die einheimische Bevölkerung entstand durch Vermischung verschiedener Einwanderer mit Ansässigen. Die Herrscherdynastie der Ottonen hatte enge Verbindung zu Sachsen und Angeln. Angeln lebten schon seit Jahrhunderten in der Gegend (Engilingau). Im Umfeld dieser neuen sächsischen Elite des 9. und 10. Jahrhunderts sind die Wurzeln der Herren von Vargula, der späteren Schenken zu vermuten. Dafür sprechen einige Indizien.
Die deutschen Landen waren in jener Zeit gesäumt von dichten Wäldern. Nur auf wenigen Altstraßen konnten die ansonsten unpassierbaren Gebiete erreicht werden. Vargula war durch seine natürlichen Voraussetzungen Knotenpunkt solcher Wege. Es machte daher Sinn, die strategische Lage zu sichern.
Im Jahr 919 wählten die deutschen Stämme Heinrich I. aus dem Haus der Ottonen zu ihrem König. In staatstragender Funktion musste er nun die deutschen Lande sichern und schützen. Neben Kämpfen gegen raubende Wikinger sorgten die ständigen Einfälle der Ungarn für die größte Gefahr im Reich. 924 verheerten sie sein Stammland Ostsachsen, seine germanischen Truppen hatten der Kampfweise der Ungarn wenig entgegenzusetzen. Er griff daher 926 zu einer List. Heinrich der Vogler erkaufte einen 10jährigen Frieden von den Ungarn. Der Preis der Ruhe waren enorme Tributzahlungen. Während dieser Periode stellte er die Bewaffnung und Kampfweise seiner Truppen völlig um und errichtete an strategisch wichtigen Punkten Burgen. Ritter, als Kämpfer mit Rüstung, Lanze und Schwert auf einem Schlachtross reitend, wurden geboren. Diese Panzerreiter siegten binnen weniger Jahre auf den Schlachtfeldern Europas und sind in der Phantasie vieler Menschen allgegenwärtig. Die berüchtigtste Truppe im Heer der Ottonen war die Merseburger Legion.
Auch die Herren von Vargula, als Ritter neuen Typs, waren Teil dieser neuen Macht im Reich und in Vargula entstand ein Vorgängerbau der nachgewiesenen Burg aus dem frühen 13. Jahrhundert.
Wann genau die Herren von Vargula sie unter großem Aufwand im Zentrum des Dorfes errichteten, wurde nicht festgestellt. Die Unstrut umfloss irgendwann natürlich und von Menschen geschaffen ein Stück Eiland und darauf eine Burg. Einfache Zugbrücken sicherten den Zugang. Eine starke Garnison war jederzeit in der Lage, Ausfälle in die nähere und weitere Umgebung zu unternehmen und das Gebiet zu schützen und zu kontrollieren. In unserer Chronik des Jahres 2018 beschrieb Volker Götz im Abschnitt Archäologie die Bauweise der Burg vom Typ Motte.
Die Könige aus dem Haus der Ottonen hatten die Ungarn aus den Deutschen Stammesgebieten für immer vertrieben. 933 siegte ein Heer unter Führung Heinrich I. bei Riade (Unstrutmündung) und 955 unterlagen die Ungarn gegen das neue Ritterheer mit seinem Sohn, Kaiser Otto I., an der Spitze auf dem Lechfeld. Nun betrieben sie ihrerseits Kolonialpolitik im Osten und Norden gegen die Stämme der Slawen. Die Brandenburg wurde erobert und in Meißen entstand um die neue Bastion, die Albrechtsburg, Siedlungsraum. Durch Vermischung mit den ansässigen Slawen gewannen die Sachsen enorm an Bevölkerung und Territorium. Zur Sicherung der Marken dienten neben Truppen vor allem Geistliche. Die Bistümer Merseburg, Zeitz, Naumburg und Meißen wurden gegründet.
Ekkehard I. wurde 968 Markgraf von Meissen. Der Stammsitz der Ekkehardinger lag bei Kleinjena, dem Mündungsgebiet der Unstrut in die Saale. Sein Geschlecht zählte neben den Grafen von Weimar zum stärksten in Thüringen um die Jahrtausendwende. Er selbst griff nach der Königskrone, wurde 1002 ermordet und sein Geschlecht starb 1046 aus. Aus strategischen Gründen errichtete er an der Via Regia die Eckardsburg. Mit dem letzten Ottonenkönig der Bayrischen Linie Heinrich II. (1002–1024) verschob sich das Machtzentrum der deutschen Stämme nach Süden, nach Bamberg in Franken.
Auch die salischen Könige (1024–1125) regierten von der Fremde aus über Thüringen und Sachsen. Die deutschen Könige besaßen nicht genügend Hausmacht, ein solch großes Gebiet der Franken, Bayern, Schwaben und Sachsen (inklusive Thüringen) dauerhaft zu beherrschen.
Das 11. Jahrhundert war eine Zeit der Neuorientierung von Macht und Neuverteilung von Herrschaft in Thüringen. In das Vakuum drangen vor allem zwei Geschlechter ein, die Ludowinger als spätere Landgrafen von Thüringen und an ihrer Seite die Herren von Vargula, die den Erbtitel „Schenken“ erwarben. Wollten die Ludowinger eine Herrschaft über Thüringen errichten, brauchten sie die Herren von Vargula. Eine Allianz wurde geschmiedet.
Thüringen spielte seit dem Ende ihres Königreiches 531 nur noch eine Nebenrolle im großen Spiel um die Macht in den deutschen Gebieten der Stämme. Sachsen war mit den Ottonen und durch die Ostexpansion zur zweiten großen Kraft neben den Franken aufgestiegen. Der Konflikt zwischen beiden Volksgruppen spielte sich nirgendwo so intensiv ab, wie im Grenzgebiet der unterschiedlichen Kulturen, in Thüringen.
Die Sprösslinge fränkischer Politik, die Klöster in Fulda und Hersfeld, sowie der Erzbischof von Mainz trugen ihren Kampf um Macht, Besitz und Einfluss auf Thüringer Territorium untereinander aus und stritten um die Pfründe. Königliche Truppen kämpften gegen rebellierende einheimische Eliten und freie Bauern. Besonders der Sächsische Adel stand an der Spitze der Opposition. Der Erzbischof von Mainz schürte durch unnachgiebige Macht- und Gewinngier in dem durch fränkische Krieger eroberten Gebieten den Konflikt. Die Salierkaiser unterstützten ihn durch Heeresmacht. (Wilfried Warsitzka; Die Thüringer Landgrafen)
Durch den Streit um die Einkünfte des Zehnten kam es zu Schlachten in unmittelbarer Umgebung von Vargula und die Herren des Ortes waren sicher daran beteiligt.
Auf welcher Seite sie kämpften, entzieht sich unserer Kenntnis. Denkbar sind zwei Versionen:
Als Reichsritter standen sie im Treueeid zu ihrem König. Von seinen Vorgängern hatten sie Landbesitz erhalten und mussten ihm als Lehnspflicht im Kriegsfall folgen.
Wahrscheinlicher aber war ihre Beteiligung an der Rebellion der Thüringer und Sachsen gegen die Salierkaiser. Dafür sprach ihr rasanter Aufstieg verbunden mit großem Landbesitz und ihr enges Verhältnis zu den Ludowingern, die ihrerseits zu den Aufständischen gehörten.
Die Ludowinger waren erst kurze Zeit in Thüringen ansässig. Ihre Wurzeln sind im fränkischen Adelsgeschlecht derer von Rieneck zu suchen. Mitglieder der Familie stellten die Burggrafen von Mainz und waren Vögte von Fulda.
Ein Familienmitglied war Ludwig „der Bärtige“ (Stammvater des Geschlechts der Ludowinger), der in der Nähe von Friedrichroda, der „Loibe“ unerschlossene Wildnis urbar machte und die Schauenburg errichtete. Durch geschickte Heiratspolitik erweiterten er und seine Nachkommen den Besitz und stiegen zum führenden Geschlecht in Thüringen auf. In der Wahl ihrer Mittel waren sie skrupellos. Sie schufen zunächst Tatsachen (Bau der Schauenburg, der Wartburg, der Neuenburg, Hochzeit von Ludwig dem Springer, Landnahme in Thüringen) und legalisierten den Besitz anschließend. (Die Thüringer Landgrafen)
Im 11. Jahrhundert verbündete sich Ludwig der Springer und sein Bruder Berengar (Söhne des „Bärtigen“) mit dem aufständischen sächsischen Adel.
Auf der Tretenburg, dem alten Thüringer Thingplatz, schworen sich die verbündeten Thüringer und Sachsen 1073 auf ein Beistandsbündnis gegen Kaiser Heinrich IV ein. Um ihr Seelenheil mussten sie nicht fürchten, war doch der Kaiser mit dem Bann belegt, den er erst im Jahreswechsel 1076/1077 mit dem Gang nach Canossa ablegte. In der Nähe von Nägelstedt und dem Kloster Homburg bei Langensalza unterlagen die Aufständischen noch. 1080 musste der König nach einer Schlacht bei Flarchheim fliehen. Offiziell blieb er König über die deutschen Lande, die wahre Herrschaft in Sachsen und Thüringen übten die Adligen vor Ort aus. Zu dieser Schicht gehörten auch die Herren von Vargula.
Anhand von Quellen kann man die sehr frühe Bedeutung des Adelsgeschlechts ableiten, über ihre Herkunft mit Hilfe von Ableitungen der Namen und der Wappen nur spekulieren. Bereits 1017 heiratete Albrecht von Vargula eine Wettinerin - Oda, die Tochter Friedrich von Eilenburg, dem zweiten Sohn des Stammvaters der Wettiner Dietrich („Buziker“) I., brachte ihm Landbesitz im Hassegau. Friedrich war ohne männlichen Erben geblieben. Im Gebiet um Naumburg/ Bad Kösen besaßen die Schenken von Vargula 200 Jahre später zahlreiche Burgen.
Ein Schlüsselname der Schenken ist K(C)unemund von Vargula. Es lebten im Lauf der Zeit mehrere Personen mit analogem Namen. Der Berühmteste war jener Kunemund, welcher Stammvater der Marschälle von Eckardsberga war (Arnstadt nannte ihn Kunemund, der Ministerterial). Die Marschälle leiten ihre Herkunft von der Scheringburg (Kellech) auf der Hainleite ab. Ihr Wappen zierten Scheren, ein Beleg für die Zugehörigkeit zu den Angeln, Warnen oder Sachsen, der Herrscherschicht der alten Thüringer? Ein ähnliches Wappen trugen auch die Truchsesse von Schlotheim, die unmittelbar mit der Familie der Marschälle verwandt waren (Wikipedia) und gleiche Wurzeln besaßen. Der Ursprung beider Geschlechter lag in Vargula, denn Kunemund trug den Beinamen „von Vargula“.
Über einen Kunemund als Vater des Mönches Volchod gab es schon Berichte aus der Zeit der Ottonen. Dieser Mönch war ein Lehrer Otto II. (961).
Ab 1131 besaßen die Landgrafen die Obervogtei über die Klostergüter des Quedlinburger Stifts zwischen Dornburg und Frankenau (Geschichte der Stadt Bad Kösen). Ein Sohn Ludwigs des Springers, Bischof Udo von Naumburg, urkundete seit 1134.
Die Herren von Vargula agierten als Untervögte und wurden mit zahlreichen Gebieten belehnt, so Kunemund von Vargula mit einem Krongut bei Erfurt (Lepsius; Kleine Schriften) und Walter von Vargula hatte Landbesitz in Weimar. Auf dessen Land wurde später die Jacobskirche von Weimar errichtet (Geschichte der Jacobskirche von Weimar). Albert Arnstadt berichtete auch über Ländereien im Gebiet um Gotha. Im Gebiet des Unterlaufs der Unstrut/Saale waren die Herren von Vargula den Ludowingern lehnspflichtig, in ihrem Stammgebiet in Vargula waren sie es nicht (Albert Arnstadt; Wolfgang Eberhardt, Thüringer Altstraßen).
Sie waren freie Reichsritter, die große Gebiete entlang der Unstrut kontrollierten und beherrschten. Ihr Einfluss reichte von Schlotheim bis Bad Kösen.
Einer der Führer der sächsischen Opposition gegen den letzten Salierkaiser Heinrich V, war Lothar von Supplinburg. 1125 wurde er zum König gewählt und 1133 als Kaiser gekrönt. Mit einer ähnlichen Biografie wie vor 200 Jahren Heinrich I. ausgestattet, stellten die Sachsen wieder einen König. Der Bannerträger des neuen Königs war Heinrich Raspe I., Sohn Ludwigs des Springers. Der ehemalige Rebell scharte zum Erhalt seiner Macht und zur Expansion des Reiches seine Getreuen um sich. Adolf von Schauenburg, ein Gefolgsmann aus der Gegend um Sandersleben in der Nähe von Magdeburg, betraute er mit der eroberten Region Holstein.
Ludwig von Schauenburg, Sohn Ludwig des Springers, wurde Thüringer Landgraf als Ludwig I. von Thüringen. Den Titel erwarb er um 1130/1131. Ob der neue Landgraf bereits zu diesem Zeitpunkt die Hofämter Schenk, Truchsess, Marschall und Kämmerer vergab, wie Arnstadt in unserer Chronik ausführt, oder erst mit der Urkunde von 1178 der Titel offiziell übertragen wurde, bleibt im Dunkel der Geschichte. In der Chronik von Bad Kösen wurde Walter als Schenk von Vargula bezeichnet, Arnstadt nannte Rudolf I. als ersten Vertreter mit diesem Titel.
Das Herrschaftsgebiet der Thüringer Landgrafen reichte vom Rhein über Marburg (heute in Hessen) bis zur Neuenburg in Freiburg an der Unstrut. Zur Sicherung errichteten sie entlang ihrer Burgen eine Heerstraße, den Fürstenweg. Ein Teil des Weges trägt noch heute den Namen eines Flurstücks in Großvargula. Um sicher von der Wartburg in Eisenach, über die Creuzburg im Ort mit gleichem Namen, die Runneburg in Weißensee bis zur Neuenburg zu gelangen, musste der Weg gesichert werden. Die beiden Furten in Vargula und Sömmerda besaßen noch immer eine herausragende strategische Bedeutung. Die Schenken von Vargula besaßen zahlreiche Besitzungen entlang dieser Strecke.
Die Schenken saßen durch Kunemunds Familie irgendwann im 12. Jahrhundert auf der Eckardsburg. Vom Zusammenhang mit Vargula zeugte die Hochzeit von Kunemund mit Hedwig von Vargula. In einer Urkunde von 1178 wurde Heinrich als 1. Marschall bezeichnet, Kunemund nur mit dem Titel „von Vargula“ (Arnstadt). Sehr bemerkenswert war auch eine Urkunde vom 15. November 1199, dem Todesjahr Kunemunds (des Ministerials). Nach Arnstadt war Kunemund der Große ein Bruder des ersten Marschalls Heinrich und hatte noch einen Bruder Kunemund den Krausen. Sie besaßen Güter in Buttstädt, Rudersdorf (Wikipedia) und vor allem im Saaletal um Bad Kösen mit der Namensbezeichnung „Schenken von Vargula“. Teile des Abschnitts von Bad Kösen bis Sömmerda waren Abschnitte des Jacobsweges. Die Ritter aus Vargula hatten sicher eine besondere Beziehung zum Orden der Jacobsritter, benannten sie doch ihre Hauskirche in Vargula nach dem heiligen Jacobus.
Die Aufgabe der Schenken war unter anderem die Versorgung der Tafel des Landesfürsten mit Wein. Mönche vom Orden der Zisterzienser betrieben Weinbau im Tal der Unstrut und der Saale. In Pforta hatten sie ihr Domizil. Besonders dieser Orden verdiente sich in der Landwirtschaft und im Weinbau.
Die Schenken von Vargula betrieben Weinbau durch ihre Vorfahren bereits seit Jahrhunderten an Hängen um ihrem Stammsitz, nun zeichneten sie sich verantwortlich für den Anbau der Reben im Unstrut- und Saaletal und sorgten gemeinsam mit den Mönchen für den Ausbau von Qualitätswein.
Ihr umtriebiges Streben nach Landbesitz zeigte sich auch in der Erweiterung in anderen Regionen des Reiches. Sie besaßen Grundbesitz in Ostheim in der Rhön.
Auch diese Tatsache zeugte vom Streben der Thüringer Landgrafen um Ausdehnung ihres Machtbereiches in enger Kooperation mit den Schenken von Vargula.
Die Landgrafen stiegen in die erste Reihe der Reichsfürsten auf. Kluge Heiratspolitik und das Gespür für gewinnbringendes Handeln in bestimmten politischen Konstellationen zeichneten sich dafür verantwortlich. Im 12. Jahrhundert vollzog sich ein Wechsel an der Spitze des Reiches. Der fränkische Stamm, zuletzt repräsentiert durch die salischen Könige, verlor seine Vormachtstellung. Kaiser Lothar III., der Supplinburger, war ohne männliche Nachkommen. Seine Tochter verheiratete er mit dem Herzog Heinrich („dem Stolzen“, Sohn „des Schwarzen“) von Bayern. Heinrich erbte auch den Herzogstitel von Sachsen. Nach ihrem Stammvater nannten sie sich Welfen. Zum Gegenpol der Welfen stieg das Schwäbische Geschlecht der Staufer auf. Der Kampf Guelfen gegen Ghibellinen prägte für zwei Jahrhunderte die Blütezeit des Mittelalters.
Die Thüringer Landgrafen und an ihrer Seite die Schenken von Vargula erlebten diesen Konflikt hautnah. Seit 1178 waren die Schenken auch offiziell die ersten Ritter am Landgrafenhof. Alle kriegerischen Auseinandersetzungen der nächsten 100 Jahre wurden von einem Schenk von Vargula geplant und geleitet. Sie zogen an der Spitze des Heeres ins Heilige Land, lenkten Schlachten und führten Verhandlungen nach deren Ende.Bereits Rudolf I begleitete seinen Landgrafen Ludwig III., den Milden, ins Heilige Land.
Im Werk von Wilfried Warsitzka, „Die Thüringer Landgrafen“, berichtete er ausführlich über den Kreuzzug der Jahre 1189 und 1190. Ludwig III. wurde als bedeutender Heerführer im Kampf um Akkon, bei dem man den Truppen Saladins Auge in Auge gegenüberstand, beschrieben. Zu den „vorzüglich ausgerüsteten Edelleuten“ gehörte sicher auch Rudolf I., Schenk von Vargula. Ludwig starb am 16. Oktober 1190 an einer Seuche, sein Fleisch wurde auf der Insel Zypern bestattet, seine Gebeine in die Heimat überführt. Ein Rudolf von Vargula wurde 1194 als Zeuge in einer Urkunde erwähnt (Arnstadt), wahrscheinlich handelte es sich um jenen Kreuzfahrer. Es würde bedeuten, Vater und Sohn verband ein ähnliches Schicksal, sie mussten die Knochen ihres jeweiligen Landesherren zur letzten Ruhestätte ins Kloster Reinhardsbrunn geleiten.
Die Ludowinger wechselten ihre Bündnisse nach Vorteillage. Der Nachfolger des Milden, sein Bruder Hermann I., trieb dieses Spiel auf die Spitze. Verwandtschaftlich war er durch seinen Vater, den „Eisernen“ mit den Staufern eng verwandt, was ihn nicht hinderte, die Seiten zu wechseln.
Der Kampf um die Vormachtstellung zwischen Staufern und Welfen herrschte auf allen Gebieten.
Der geschickte Einsatz der Medien war kein neues Stilmittel. Die Protagonisten hatten auch schon in früheren Zeiten Propaganda für ihre Brötchengeber betrieben.
Die Schenken von Vargula hatten das große Glück, die Stars der Zeit im künstlerischen Metier hautnah zu erleben.
Hermann I. blieb den Menschen in ganz Deutschland, in erster Linie wegen seiner Förderung von Künstlern an seinem Hof und besonders durch den Sängerkrieg auf der Wartburg, in Erinnerung. Dieser Wettstreit war Inhalt einer Sage und vereinte mehrere Ereignisse der Zeit. Elemente waren der eigentliche Wettstreit, die Art der Darbietungen von Ritter Tannhäuser, im Gegensatz zu Walter von der Vogelweide, und die Prophezeiung der Geburt einer Königstochter.
Walter nutzte seine Begabung nicht nur am Hof des Thüringer Landgrafen, um Werbung für die Stauferpartei zu betreiben. Am Ende seines Lebens bekam er sein Lehen, wie es in einem seiner bekanntesten Lieder hieß. Wolfram von Eschenbach ging am Hof Hermanns ein und aus und die Schenken hörten direkt aus seinem Mund die Geschichten um den heiligen Gral. Auch das Nibelungenlied, das berühmteste Deutsche Werk der Ritterzeit, öffnete ihr Herz für die Staufer.
Die Ludowinger gehörten auch zu Beginn des 13. Jahrhunderts zur ersten Reihe der Reichsfürsten, und die Schenken waren ihre ersten Ritter. Hermann plante, wie seine Vorgänger, die Erweiterung der Macht durch eine geschickte Heiratspolitik. Die ungarische Königstochter wurde als Braut für seinen ältesten Sohn Hermann erkoren. Mit der Mission der Brautwerbung betraute er den Schenken Walter von Vargula. Die ungarischen Könige der Arpadendynastie kontrollierten große Gebiete in Südosteuropa und es zeugte von den Ambitionen der Thüringer Landgrafen, Bündnisse in dieser Größenordnung zu schmieden.
Im Jahr 1211 reiste eine Delegation, in der sich auch der Schenk Rudolf II. von Vargula befand, etwa zwei Wochen über Böhmen und Mähren bis nach Ungarn. Der ungarische König Andreas II. empfing die Ritter. Ausgestattet mit Werbungsgeschenken trugen sie ihr Anliegen vor. Schenk Walter von Vargula brachte als Delegationsleiter die Verhandlungen zu einem erfolgreichen Abschluss. Elisabeth war am 7. Juli 1207 auf Burg Sarospatak geboren (Elisabethmuseum Sarospatak). An einem Nebenfluss der Theiss, dem Bodrog, hatten die Ungarischen Könige in ihrem Jagdgebiet die Festung errichtet. Hier im Osten des Landes war Elisabeth als 2. Kind von Andreas II. und Gertrud von Andechs Meranien zur Welt gekommen. Ungarische Archäologen entdeckten die Taufkapelle und entschlüsselten den Schriftverkehr der Franziskaner und bewiesen damit die Geburtsstätte. Der Bruder der Königin Gertrud, Bischof Ekbert von Bamberg, hatte die Verlobung der kleinen Königstochter vermittelt. Nun, im Alter von 4 Jahren, geleiteten die Ritter aus Vargula das Mädchen in ein für sie fremdes Land. Ausgestattet mit einer reichen Aussteuer und Geschenken für alle am Tross beteiligten Personen, „....ward im Thüringer Land nie wieder gesehen“, ging es auf die Rückreise. Die Schenken von Vargula haben sicher auch in ihrer Funktion als Mundschenken neue reichhaltige Erfahrungen im Weinbau gesammelt. Tokaj war eines der ältesten Weinbaugebiete der Erde und der Anbau des Weißweines von hoher Kultur. Auch Spissky Hrad (Zipser Burg), eine der größten Burgen Europas, dürfte auf ihrem Weg gelegen haben. Besonders Schenk Rudolf hatte das kleine Mädchen in sein Herz geschlossen, wie sich später durch seine Taten zeigte. Auf der Wartburg begrüßte man die Heimkehrer freudig und feierte symbolisch die Verlobung der beiden Kinder. Elisabeth wuchs in der Fremde auf und die Schenken von Vargula begleiteten ihren Weg mit dem Schutz ihrer Schwerter.
Die Brüder Walter und Rudolf II. von Vargula standen in der ersten Reihe am Landgrafenhof. Zahlreiche Urkunden wiesen darauf hin. Insgesamt hatte Rudolf I. fünf Söhne (Arnstadt). Die anderen Brüder waren Heinrich, Kunemund und Berthold. Die beiden zuletzt genannten traten in den Deutschen Ritterorden ein. Die Thüringer Ballei bestand seit 1203 (Arnstadt). Die Hochmeister Hermann von Salza und Konrad, Landgraf von Thüringen, zeugten von der engen Verbundenheit mit Thüringen und dem hohen Stellenwert. Nachdem der Orden aus dem Burzenland durch Andreas II. von Ungarn vertrieben wurde, fand er ein neues Betätigungsfeld im Land der Pruzzen, dem späteren Preußen. In einer goldenen Bulle verlieh Friedrich II. dem Deutschen Orden und den Thüringer Landgrafen das Privileg, die eroberten Gebiete zu verwalten. Ordensritter aus Vargula zog es in die neuen Kolonien. Eine Urkunde von 1214 lautete: „1214 schenkte Kaiser Friedrich II. den Provinzialen und den Deutschordensbrüdern in Thüringen ein Gehölz oder Wäldchen „Geher“ genannt, (es ist dies der Nägelstedter Gern am Spittlergrunde) bei dem Dorf Tambach, welches sein Getreuer, der Edle Rudolf von Farila, von ihm zum Lehen getragen und ihm aufgelassen hat.“ (Arnstadt). Die Ballei Nägelstedt umfasste ein großes Gut, das eines der letzten in Thüringen im Besitz des Ordens blieb. In einer weiteren Urkunde von 1225 schenkte Rudolf Landbesitz in Herbsleben an den Ritterorden. 1308 und 1310 wurde Heinrich Varila als Komtur von Marburg genannt. 1313 und 1315 als Landkomtur von Thüringen. Es könnte sich um einen Sohn des letzten Schenken von Vargula handeln, der seinen Wohnsitz auf der Burg Vargula hatte.
Der fünfte Sohn Rudolf I., Heinrich Schenk von Vargula, diente wie seine Brüder zunächst am Thüringer Landgrafenhof. Dort erhielt er seine Ausbildung und die Schwertleite. Sein weiterer Lebensweg könnte ihn am Ende nach Apolda geführt haben. Es gab Indizien zumindest für eine enge Verbindung mit Vargula.
Karl Dietrich Hüllman berichtete in seinem Werk: „Die Geschichte der Ursprünge der Stände in Deutschland“ von einer Schenkung des Schenken Heinrich vom Erzbischof von Magdeburg an den Erzbischof von Mainz. Es macht durchaus Sinn, dass Heinrich auf Grund der engen Verbindung der Schenken von Vargula im Machtbereich des Magdeburger Erzbischofs Dienst tat. In den weiteren Urkunden tauchte dieser Schenk Heinrich als Mundschenk des Erzbischofs von Mainz im Gebiet um Apolda auf und trug den Titel Schenk von Apolda. Die verwandtschaftlichen Beziehungen zu Apolda erläutert eine Urkunde von 1223 (Arnstadt). Dietrich der Schwarze von Apolda war mit einer Frau aus Vargula verheiratet oder eng verwandt (durch die Schwägerin), denn der Verkauf von Besitz an die Marienkirche zu Truseburg nannte Dietrich den Schwarzen, seine Ehefrau und deren Schwester Mechthild von Vargalaa. Schenk Heinrich von Apolda und Dietrich von Apolda trugen auch selbst den Namen „Schenk von Vargula.“
Im Preußischen Adelslexikon tauchte der Name Heinrich Schenk von Isserstädt, genannt 1200, auf und sein Sohn Dietrich der Schwarze von Apolda trug den Titel: „Schenk von Vargula“.
Im Stammbaum der Jutta Vitzthum von Apolda (Ahnenforschung Internet) beschrieb man sie als geborene Schenk von Vargula, ihr Vater war Dietrich, Schenk von Vargula. Im Werk „Deutsche Schutzgebiete“ bezeichnete man das Schloss und Rittergut Apolda „ursprünglich eine Besitzung der Schenken von Vargula.“ Schließlich wurden im Erfurter Wappenbuch die Schenken von Apolda mit dem Zusatz „Schenken von Vargula“ benannt, Walter war Schenk von Reicheneck, Clingenburg und Prozelten, Heinrich Schenk von Saaleck, Vargula und Apolda.
Die fünf Söhne Rudolf I., dazu die Marschälle von Eckardsberga (Linie von Rudolf I. Bruder Kunemund) und die Truchsesse von Schlotheim stellten mit ihrem gesamten Besitz und den damit verbundenen Einnahmen durch Kontrolle der Gebiete, einen gewaltigen Machtfaktor in Thüringen dar. Sie waren in der Lage, riesige Summen einzunehmen, mit der sie ihren eigenen Hofstaat, die Ausrüstungen der Ritter, der Pferde und ein standesgemäßes Leben finanzierten.
In Deutschen Landen herrschte zu Beginn des 13. Jahrhunderts der Kampf zwischen Welfen und Staufern um die Vormachtstellung im Reich. Die Schenken von Vargula wurden unmittelbar in den Krieg einbezogen. In einer Schlacht am 6. Dezember 1212 führte Schenk Rudolf die Truppen seines Landesherren gegen ein Kontingent Kaiser Otto IV. bei Weißensee. Mit einer mutigen Aktion in der Schlacht bei Tennstedt wurden die Kaiserlichen besiegt, die gegnerischen Grafen von Beichlingen und von Stollberg gefangen, um sie später gegen ein hohes Lösegeld freizulassen und so der Gegner vertrieben. Rudolf II. wurde bei der Aktion durch einen Pfeilschuss in den linken Schenkel verletzt, später hinkte er (Arnstadt).
Der Landgraf Hermann II. starb am 25. April 1217, sein ältester Sohn Hermann war bereits 1216 gestorben, so fiel die Landgrafschaft auf den 2. Sohn Ludwig. 1218 erhielt er im Kreis seiner Ritter die Schwertleite und übernahm als Ludwig IV., den man später den Heiligen nannte, die Herrschaft über Thüringen, die Gebiete in Hessen und die Pfalzgrafschaft in Sachsen. Kaiser Friedrich II. belehnte ihn mit allen Gebieten, die schon seinem Vater gehörten und Ludwig schwor dem Staufer bedingungslose Treue (Warsitzka).
Elisabeth war zu einer schönen jungen Frau gereift. Ihr südländisch, exotisches Äußeres rief nicht nur Bewunderer am Hof hervor. Neider missgönnten der jungen Ungarischen Prinzessin ihre Stellung und die war durch die Politik Andreas II. gegenüber dem Deutschen Orden und dem Tod Hermanns in Gefahr. Zu ihrem Glück verliebte sich Ludwig in die Schöne aus ganzem Herzen. Auch die beiden Schenken Walter und Rudolf verteidigten die junge Frau gegen alle Anfeindungen.
In der Zeit der hohen Minne des Mittelalters, in der Ritter ihre Dame bedingungslos liebten und gegen jeden Feind ankämpften, erlebten die beiden Ritter das Szenarium authentisch. Quellen erzählten das Verhältnis zu Elisabeth. Die Erzählungen mündeten in Sagen. So soll Rudolf Elisabeth beim Rosenwunder behilflich gewesen sein (Arnstadt) und beide Ritter aus Vargula wurden als Mittler zwischen Elisabeth und Ludwig in Sachen Liebe genannt.
1221 heirate das junge Paar in der Georgskirche zu Eisenach. Den Brautzug führte Walter von Vargula an und auf der Hochzeitsreise 1222 in Elisabeths Heimat Ungarn war Rudolf als Heerführer seines Landgrafen zugegen.
Im Geburtsort der Ungarischen Königstochter Sarospatak steht eine lebensgroße Büste des jungen Paares vor der dortigen Elisabethkirche.
Mit Ludwig IV. stand der Thüringer Landgrafenhof auf seinem größten Höhepunkt. Glänzende Aussichten standen bevor. Die Thüringer waren an der Seite des Kaisers Friedrich II., der die meiste Zeit seiner Regierung in Italien verbrachte und deshalb auch Federico genannt wurde, zu einem der führenden Fürsten aufgestiegen. Er war kurz davor Markgraf von Meissen zu werden. Der bisherige Markgraf, Dietrich der Bedrängte, hinterließ nach seinem Tod ein minderjähriges Kind, Heinrich, später „Der Erlauchte“, dessen Vormund Ludwig war. Im Gebiet der heidnischen Porussen (später Preußen) erhielt er das Recht, gemeinsam mit dem Deutschen Orden alles eroberte Land als Lehen zu bekommen (Warsitzka). In der Lausitz machte er Gebietsansprüche mit dem Sturm der Festung Lebus geltend und auf einer Reise 1226 nach Italien war er der engste Vertraute des Kaisers. Ein Jahr später wurden alle Träume je zerstört.
An der Seite des jungen Landgrafen waren immer an erster Stelle seine Ritter aus Vargula. Die Schenken von Vargula wurden mit schweren Missionen betraut und profitierten ihrerseits von der engen Bindung. Rudolf von Vargula war in höchster diplomatischer Mission als Unterhändler unterwegs, als die Vermählung des Kaisersohnes, später König Heinrich VII., mit der Tochter des Österreichischen Königs Leopold VI. verhandelt wurde. Die Kandidatin, die der Schenk vertrat, setzte sich durch (Warsitzka).
Die Schenken wurden in dieser Zeit mit zahlreichen Burgen an der Saale belehnt. Die Tautenburg, Saaleck, Dornburg und Rudelsburg gelangten in ihren Besitz. Dazu kam riesiger Landbesitz. Nach all diesen Orten nannten sich sie und ihre Nachkommen Schenk. Ihre Titel waren Schenk von Tautenburg, Saaleck, Dornburg, Rudelsburg, Apolda, Isserstädt, Nebra, Trebra, Bedra, Döbitschen, Dabergen, Frauenprießnitz, Molau, Reicheneck, Rusteberg, Sulza, Utenbach, Vitzenburg, Wiedebach, Vesta, Korbisdorf, Kölzen, Tomschau, Großgöhren und Vitzthume von Echstädt (Wikipedia). Sicher gab es noch mehrere Orte, die sie besaßen.
In Großvargula, ihrem Stammsitz, bauten sie ihre vorhandene Burg Anfang des 13. Jahrhunderts zu einer Festung aus. In das sumpfige Gelände mussten zur Gründung zahlreiche Baumstämme geschlagen werden. Darauf lagerten riesige Steinquader als Fundamente. Umgeben von dem natürlichen und künstlichen Arm der Unstrut, wurden zusätzliche Wassergräben angelegt. Riesige Wehrmauern umgaben die aus festem Stein errichtete Burg, die mit modernster Technik der Zeit, zentral beheizt wurde. Eine starke Besatzung, ausgestattet mit modernster Technik, machte den Bau zu einem schwer einnehmbaren Bollwerk.
In keiner Urkunde wurde die Einnahme der Burg Vargula genannt. Zur Glanzzeit der Schenken von Vargula, die nicht einmal 100 Jahre diesen Prachtbau bewohnten, wäre das auf Grund ihrer Stärke und Bündnisse auch nicht möglich gewesen. Zu dieser Zeit war die Gruppe ihrer Feinde überschaubar. Die Erzbischöfe von Mainz waren die einzigen starken Gegner in Thüringen. Die Welfen kämpften in Sachsen um ihre Macht. Thüringen war in dieser Epoche nur noch das Kernland im Thüringer Becken. Die Gebiete des Königreichs um 500 im Gebiet um die Magdeburger Börde und das Harzvorland war durch die Osterweiterung inzwischen das Zentrum Sachsens. Im Süden, im Thüringer Wald und Vogtland, hatten sich andere Herrschergeschlechter etabliert. Die Vögte von Weida und die Häuser Henneberg und Schwarzburg zählten zu ihnen.
Neben der Burg errichteten die Schenken in Vargula auch eine standesgemäße Kirche, St. Jacobus. Nach dem Vorbild der Könige und Fürsten diente sie neben Seelsorge und Gottesdienst auch als Begräbnisstätte.
Das Patronat über die Kirche hatte der Landgraf von Thüringen. In einer Urkunde von 1382 tauschte er die Kirche in Vargula mit einem Gotteshaus in Gotha (Arnstadt), die dem Deutschen Orden gehörte. Der Orden seinerseits besaß Vargula seit 1340 und hatte nun auch alle Rechte an der Kirche.
Die Schenken bestatteten ihre Toten in einer Gruft unter der Kirche. Nach ihrem Auszug aus Vargula hielten sie als Schenken von Tautenburg in der Kirche von Frauenprießnitz an diesem Ritual fest.
Das Wappen der Schenken von Vargula war ein blaues Schild mit 4 bis 5 silbernen Schrägbalken von rechts oben nach links unten. Dazu trugen sie einen vergoldeten, gekrönten Helm mit zwei offenen Hörnern, die ebenso in Blau und Silber schräg gestreift waren (Arnstadt). Das Blau des Untergrunds könnte von der blauen Farbe der Unstrut herrühren. Silber, als Metall sehr wertvoll, könnte aus der Stellung abgeleitet sein. Es wäre auch als eine simple Erklärung eines passenden Kontrastes möglich. Es gab ohnehin nur sechs Grundfarben (Wikipedia) in der Heraldik. An Stelle von Silber wurde aus Kostengründen auch Weiß verwendet, was aber in der Blütezeit der Schenken nicht vorkam. Am Ortseingang der Gemeinde Tautenburg kann man das Wappen der Schenken von Tautenburg (ehemals Vargula) besichtigen (die Richtung der Streifen geht allerdings von links oben nach rechts unten).
Mit der Teilnahme am Kreuzzug 1227 erreichten die Thüringer Landgrafen den Gipfel der Macht in Deutschen Landen. In der Hierarchie standen sie an der Spitze der Deutschen Fürsten, gleich an zweiter Stelle hinter dem Kaiser. Mit einem großen Kontingent, an der Seite des Deutschen Ordens, dessen Hochmeister Hermann von Salza war, machten sich die Kreuzfahrer auf den Weg ins Heilige Land, um Jerusalem für die Christen zurückzuerobern. Lange hatten der Kaiser und der Landgraf gezögert, bis sie im Frühjahr 1227 ihre Mission starteten.
Ludwig IV. ließ sich die Teilnahme gut bezahlen. Im Zuge einer Italienreise 1226 zu einem geplanten Reichstag baute er ein enges Vertrauensverhältnis zu Friedrich auf. Die Hofhaltung am Kaiserhof Federicos war einzigartig in Europa. In zahlreichen Romanen wurde sie beschrieben und der Schenk von Vargula, selbst in exponierter Stellung, erlebte sie hautnah und konnte prägende Abläufe vor Ort in unmittelbarer Nähe des Stauferkaisers beobachten.
Da die Alpenpässe auf Grund der Besetzung mit feindlichen Widersachern schwer passierbar waren, reisten nur wenige Fürsten nach Italien. Der Landgraf weilte mit seinen Rittern mehrere Wochen am Kaiserhof und erhielt weitreichende Zusagen. Die Eventualbelehnung der Mark Meissen und der Lausitz, freie Kost und Überfahrt während des Kreuzzuges, Gebietsansprüche im späteren Preußen und eine beträchtliche Geldsumme, fielen darunter (Warsitzka).
Die Verabschiedung Ludwigs von Elisabeth glich einem Drama. Die „Heilige“ begleitete den Tross, der sich auf den Weg Richtung Süden in Gang setzte zwei Tagesreisen. Sie war voller Sorge um den geliebten Gemahl. Erst das Versprechen des Schenken Rudolf von Vargula, den Landgrafen besonders zu schützen, ließ sie die Delegation verlassen (Arnstadt). Rudolf agierte als Bannerträger seines Fürsten und im Gefolge war auch Schenk Walter von Vargula.
Auf dem Weg ins Heilige Land erlebte das Heer ein Desaster. Anfang August 1227 trafen die verschiedenen Verbände der Kreuzfahrer in Apulien, dem Regierungssitz Federicos in Italien, ein. Unzureichende hygienische Bedingungen und Versorgungsengpässe für ein derartig großes Heer, führten zum Ausbruch von Seuchen. In der Nähe von Brindisi kam es zu einer Epidemie, die auch den Kaiser und den Thüringer Landgrafen nicht verschonte. In Otranto, auf einem Schiff vor der Küste Apuliens, schied Ludwig IV. am 11. September 1227 im Alter von 27 Jahren aus dem Leben. Mit an Bord, in der Stunde des Todes, war der Schenk Rudolf von Vargula als sein engster Vertrauter. In der Kirche von Otranto mit seinem herrlichen Mosaikfußboden beteten die Kreuzfahrer für sein Seelenheil und begruben den Leichnam vorläufig in einem wachsgetränkten Tuch (Warsitzka).
Nach dem vorläufigen Ende des Kreuzzuges im späten Herbst 1227 gruben die Thüringer Ritter den Leichnam aus, kochten das Fleisch des Toten vom Knochen und begruben die fleischliche Hülle vor Ort.
Wie sein Vater Rudolf I. geleitete nun Schenk Rudolf II. die Gebeine eines Thüringer Landgrafen in die Heimat. Der Tote sollte in seiner letzten Ruhestätte in Reinhardsbrunn begraben werden.
Im Frühjahr 1228 kam die Abordnung Thüringer Ritter mit dem Leichnam in Bamberg an.Dort traf Rudolf von Vargula auf Elisabeth, deren bisheriges Leben sich gravierend verändert hatte.
Unter dem Einfluss ihres Beichtvaters Konrad von Marburg entwickelte sich Elisabeth im Lauf ihres Lebens zu einer religiösen Eiferin. Buße und Einhaltung christlicher Rituale waren im Mittelalter für alle Stände normale Handlungen, die den Jahreslauf begleiteten.
Elisabeth handelte weit über die allgemeinen Vorgaben hinaus. Ihre Bußübungen endeten in Selbstkasteiungen, die das Wohlwollen Konrads fanden. Ungewöhnlich für ihren Stand trat sie auch den Armen gegenüber auf. Zahlreiche Sagen berichteten darüber, deren bekannteste die Geschichte vom Rosenwunder war. Ehrlich und wahrhaftig war die Liebe zu ihrem Ehemann. Deshalb legte sie noch vor dem Kreuzzug ein Gelübde ab, niemals wieder zu heiraten, sollte Ludwig etwas zustoßen. Das galt auch für ein Angebot des Kaisers Friedrich II., der um die Hand der Witwe anhielt. In ihrer Verzweiflung nach der Todesnachricht vollbrachte Elisabeth außergewöhnliche Taten. Die Menschen ihrer Zeit verstanden diese nicht, weder Arme noch Adlige und nur so kann man deren Reaktionen verstehen.
Rudolf beherbergte Elisabeth auf seiner Burg in Vargula, bevor er den neuen Landgrafen Heinrich Raspe IV. traf. Seine Stellung am Hof, die Sicherheit seiner Burg und die Handlungen, die seinem Charakter entsprachen, lassen die Tatsache der Unterkunft in Vargula logisch erscheinen.
Rudolf, der Schenk von Vargula, war auch bei der Trauerfeier der Heiligen Elisabeth zugegen.
Der Deutsche Orden hatte in Thüringen seit 1203 eine entscheidende Basis seiner Macht. Eine enge Verflechtung mit den Thüringer Landgrafen und dem Adel in Thüringen dokumentierte die Besetzung des Führungsgremiums, insbesondere in der Person des Hochmeisters. Alle diese Personen stammten aus der unmittelbaren Nachbarschaft der Schenken von Vargula. Hermann von Salza gehörte bereits zum engsten Beraterkreis des Kaisers Friedrich II. und auch der neue Hochmeister Konrad, ein Bruder Ludwig IV. und Heinrich Raspes, verkehrte in den höchsten Kreisen der Macht im Reich. Der Orden erkannte die Bedeutung Elisabeths in der öffentlichen Wahrnehmung als Heilige. In einer eigens für sie gebauten Kirche in Marburg wurde sie in Anwesenheit des Kaisers Friedrich, der Führung des Deutschen Ordens und des Hochadels fünf Jahre nach ihrem Tod am 01.Mai 1236 feierlich umgebettet. Der Ort dient als Pilgerstätte bis zum heutigen Tag.
Für ihre Heiligsprechung zeichnete sich neben dem Deutschen Orden vor allem ihr Beichtvater Konrad von Marburg aus. Die Umbettung Elisabeths erlebte er nicht mehr. Über seine Motive im Umgang mit Elisabeth zu ihren Lebzeiten kann man nur spekulieren. Über Elisabeth gelangte er zu höchsten Ämtern in der katholischen Kirche. Im Kontext der Zeit kam dem Orden der Dominikaner die Rolle der Verfolgung aller Personen zu, die sich gegen die Kreuzzüge oder die bestehenden Machtverhältnisse stellten. Ein besonders eifriger Bruder dieses Ordens war Konrad. Er gelangte auf seinem persönlichen Karriereweg bis zur Position des Inquisitors im Jahre1231. In seinem Fanatismus Ketzer zu überführen, legte er sich auch mit dem Adel an. Auf dem Rückweg von einer Synode in Mainz nach Marburg im Juli 1233 wurde er von bewaffneten Rittern, die ihre Schwerter zogen, getötet. In wieweit die Schenken von Vargula daran beteiligt waren, liegt im Dunkel der Geschichte, Gerüchte in diverser Literatur existierte dazu.
Rudolf II., der bedeutendste Schenk von Vargula, starb zwischen 1238 und 1242.
Er zeichnete sich durch den Macht- und Gebietszuwachs an der unteren Unstrut und im Gebiet der Burgen an der Saale aus. Vor allem die Tautenburg wurde zu einem weiteren Fixpunkt neben Vargula. Unklar bleibt, ob er die schicksalhaften Ereignisse dieser Zeit für Thüringen noch persönlich erlebte. Dem Erben der Thüringer Landgrafschaft, dem Sohn Ludwig IV. und der Heiligen Elisabeth ereilte ein tragisches Ende. Glänzende Aussichten vor Auge, verlobt mit der Kaisertochter Margarethe, die Belehnung der Markgrafschaft Meißen und auf Betreiben der päpstlichen Partei Deutscher König zu werden, starb Hermann II. im Januar 1241 unter mysteriösen Umständen. Zeitzeugen sprachen von Giftmord, bewiesen werden, konnte nichts.
Schenk Rudolf (II. oder III.) persönlich soll den Verdacht bei der Beerdigung des Landgrafen gegen die vermeintliche Täterin Bertha von Seebach ausgerufen haben. (Warsitzka)
Das 2. epochale Szenario stellte die Bedrohung Thüringens und ganz Europas durch die Mongolen dar. Den Menschen der Zeit kam es wie die bevorstehende Apokalypse vor. Der Kriegstechnik der mongolischen Heere hatten die europäischen Ritter nichts entgegenzustellen. In Schlesien bei Liegnitz unterlagen die Ritter den Truppen des Enkels des Dschingis Khan, Batu Khan, auf ganzer Linie.
1241 bildeten Thüringen und Sachsen die letzte Bastion auf dem Vormarsch nach Europa. Schenk Rudolf als Heerführer der Armee der Thüringer Landgrafen kam die Aufgabe zu, den Einfall zu stoppen. Empathie mit den Gedanken des Schenken, lässt auf schlimmste Befürchtungen schließen.
Wie durch ein Wunder war die Gefahr aus dem Osten über Nacht verschwunden. Der Khan der Khane, Ögidei, Sohn des Dschingis Khan, verstarb und seine potentiellen Nachfolger mussten um ihren Machtanspruch zu dokumentieren, vor Ort im Machtzentrum der Mongolen sein. Batu Khan brach mit seinem Heer postwendend auf und verließ Europa. Die Ausmaße der Zerstörung ganzer Landstriche kann man in der Umgebung der Zipser Burg in der heutigen Slowakei, damals Teil Ungarns, nachempfinden. Dem Schenken von Vargula muss es wie ein Wunder erschienen sein. Tiefer Glaube spielte für ihn eine entscheidende Rolle.
Sein Sohn und Nachfolger Rudolf III., Schenk von Vargula, geriet in den nächsten Jahren in tiefe Gewissenskonflikte. Seine Loyalität gegenüber dem Haus der Ludowinger war unbestritten. Aber der letzte Vertreter der Thüringer Landgrafen, Heinrich Raspe IV., stellte diese auf eine harte Probe. Es kam auf Grund seiner Entscheidungen zum Bruch mit dem Kaiserhaus der Staufer in Person von Federico. Engste verwandtschaftliche Bande und der damit verbundene Aufstieg der Ludowinger hielten Raspe nicht davon ab, vermeintliche Vorteile und Versprechungen der päpstlichen Partei anzunehmen und seinen Kaiser Friedrich II. zu verraten. Er wurde kurz vor seinem Tod König und löste Konrad, des Kaisers Sohn, ab. Die kaiserliche Partei versuchte militärisch dagegen vorzugehen. Im August 1246 kam es zu einem Scharmützel beider Kontrahenten. Am 5. des Monats überwältigten die Truppen Raspes den Gegner durch einen Überraschungsangriff. Der neue Heerführer des neuen Königs war Rudolf III. von Vargula.
Heinrich Raspe IV. starb am 16. Februar 1247 kinderlos, obwohl er die Dynastie in mehreren Ehen am Leben halten wollte. Mit ihm endete die Herrschaft der Ludowinger in Thüringen in der männlichen Linie. In den folgenden Jahren wurde das Land von zahlreichen Kriegen überzogen, deren Ursache in der Erbfolge lag. 20 Jahre später wurden sie beendet, einer der entscheidenden Handlungsträger war ein Schenk von Vargula.
Bereits im Juni 1243 hatte Heinrich Raspe seinen Neffen, den jungen Markgrafen Heinrich von Meißen, der später mit dem Beinamen „Der Erlauchte“ in die Geschichtsbücher eingehen sollte, mit der Landgrafschaft Thüringen belehnt, falls er ohne Söhne sterben sollte. Kaiser Friedrich II. gewährte die Bitte in Erwartung von Loyalität. Er konnte zu diesem Zeitpunkt nicht ahnen, welche Rolle als Marionette des Papstes Heinrich spielen sollte.
Rudolf III. von Vargula hielt sich als einer der wenigen Adligen in Thüringen an diesen Pakt. Um das Erbe der Landgrafschaft in Thüringen entbrannte ein erbitterter Streit zwischen den beiden Hauptkontrahenten Heinrich, dem Erlauchten und Herzogin Sophie, Tochter Ludwigs IV. und der Heiligen Elisabeth. Sie war als zweite Gemahlin mit Heinrich II. von Brabant verheiratet und suchte für ihren Sohn Heinrich, das Kind, die Landgrafschaft Thüringen zu gewinnen. Jede der beiden Parteien hatten rechtliche Argumente auf ihrer Seite. Hinzu kam, dass Thüringen in Anarchie verfiel. Immer, wenn Autoritäten in der Geschichte gestürzt wurden oder auf natürliche Weise starben, strebten untergeordnete Menschen nach Macht und Reichtum. Sie suchten in das Vakuum einzudringen, so auch in Thüringen in der Mitte des 13. Jahrhunderts.
Rudolf III. hatte noch 3 Brüder, Heinrich, Dietrich und Albrecht. Gemeinsam standen sie auch in der Gunst des neuen Landgrafen aus dem Haus Wettin.
Die Schenken ihrerseits waren zu einem bedeutenden Adelsgeschlecht aufgestiegen. Durch ihre verwandtschaftlichen Beziehungen, weitreichenden Besitz mit den entsprechenden Einnahmen und militärischer Hausmacht, hegten sie selbst Ambitionen nach höchsten Positionen in Thüringen. Sie befanden sich auf dem Höhepunkt ihrer Macht und ihres Ansehens. Neben ihren Ländereien im Gebiet um Vargula, das weitreichender als die heutige Flur der Gemeinden Groß- und Kleinvargula war und zu denen auch große Gebiete von Nägelstedt und Klettstedt gehörten, besaßen sie großes Grundeigentum im Saale-Unstrut-Gebiet. In den 1220er Jahren hatte Rudolf II. die Tautenburg erhalten und 1232 dort eine Kapelle errichtet. 1228 kamen die Dornburg und Burg Saaleck hinzu. Wenig später folgte auch noch die Rudelsburg.
Ihre Einkünfte erzielten sie in erster Linie durch Weinanbau und -handel, sowie durch Schafzucht (Chronik der Gemeinde Frauenprießnitz). Die aufstrebende Tuchindustrie im Ostthüringer Raum benötigte Wolle. In Frauenprießnitz gründeten sie ein Frauenkloster.
Sie besaßen eine der modernsten Burgen in Vargula zu der auch der Bergfried auf der Vargulaer Warthe (heute Gemarkung Nägelstedt) gehörte.
Der Erbfolgekrieg um die Landgrafschaft Thüringen begann unmittelbar nach dem Tod Heinrich Raspe IV.. Kleine Adlige und Ritter versuchten durch Plünderungen und Raub ihren Unterhalt aufzubessern. Auf die Seite von Sophie hatten sich die Grafen von Gleichen (früher Tonna), Gleichstein, Schwarzburg, Kefernburg, Beichlingen, Stollberg, Hohenstein und andere (Arnstadt) gestellt. In zwei Schlachten, am 11. Februar 1248 bei Mühlhausen und im Februar 1249 bei Gräfentonna, schlug der Schenk von Vargula die verbündeten Truppen der Grafen vernichtend. „Günter und Heinrich von Schwarzburg, Günter und Heinrich von Kefernburg, sowie Berthold von Burgtonna wurden gefangen und gegen ein hohes Lösegeld freigelassen und mussten ewigen Frieden mit Vargula schwören“ (Arnstadt). Der mächtigste Kontrahent auf der Gegenseite war für den Schenken Graf Albrecht von Braunschweig. Toppius schrieb in seiner Chronik: „Anno 1263 ward Großen Vargel durch Herzog Albrecht von Braunschweig geplündert“. Es gibt kein Zeugnis in der Geschichte, dass Großvargula jemals wieder derartig zerstört wurde, weder im 30jährigen Krieg, noch in den beiden Weltkriegen. Der Ort war aber auch nie wieder von solcher historischen Bedeutung in den Deutschen Landen. Die Burg selbst war für den Herzog uneinnehmbar.
In jenem Jahr kam es zur Entscheidungsschlacht im Erbstreitkrieg bei Merseburg. Rudolf III., Schenk von Vargula, entschied sie durch verwegenes Handeln für sich und verhalf den Wettinern zur Landgrafschaft über Thüringen. Arnstadt schrieb: „Als Albrecht von Braunschweig in Thüringen eingefallen war, war Landgraf Heinrich, um Hilfe zu holen, nach Böhmen gegangen. Inzwischen sammelte Rudolf von Vargula 100 gute Ritter und Knechte und griff mit diesem Kriegsvolk den Feind an. Im Stifte Merseburg beim Dorf Bicklin an der Elster kam es zum harten Kampf, der Feind wurde geschlagen, der Herzog von Braunschweig, die Grafen von Anhalt, Weimar und Eberstein wurden verwundet und gefangen. Aus der auserwählten Ritterschaft nahm Rudolf 556 Gefangene mit. Der Feind hatte großen Schaden an guten Pferden und Harnischen und musste sich mit viel Lösegeld lösen.“
Rudolf III. von Vargula war mit Eilicke, der Tochter Heinrich II. von Weida (Reuß, Vögte von Weida), „Der Rote“, verheiratet, was seine Stellung und seine Ambitionen im Osten dokumentiert. Er starb 1287 und hinterließ mehrere Söhne, sein Grab dürfte sich wie das seines Vaters unter der Kirche „Sankt Jakobus“ in Großvargula befinden. Viele der Taten Rudolf III. werden in manchen Quellen auch mit einem Walther von Vargula in Verbindung gebracht. Ob es sich um einen Bruder von Rudolf II. oder seinen Sohn handelt, kann nicht mehr nachvollzogen werden.
Der 4. Sohn Rudolf II., Albrecht oder Albert, spielte in den Geschichtsbüchern Thüringens ebenfalls eine tragende Rolle. Als Leibwächter der Landgräfin Margerete rettete er deren Leben. Er setzte dabei sein Leben aufs Spiel, handelte er doch gegen die Interessen seines Herrn, des neuen Landgrafen Albrecht des Entarteten, der 1264 mit der Landgrafschaft über Thüringen von seinem Vater Heinrich betraut wurde. Die Ereignisse spielten sich auf der Wartburg ab und Legenden berichten von einer Flucht über Burg Vargula nach Frankfurt am Main.
Nach dem Tod des Stauferkaisers Friedrich II. 1250 und dem Ende seines Sohnes Konrad 1254 begann im Deutschen Land die kaiserlose Zeit bis 1272. Raubritter trieben ihr Unwesen und auch klimatisch traten gravierende Veränderungen ein, eine Kaltzeit begann.
Legenden über Federico, „Das Staunen der Welt“, kursierten im Volk, deren bekannteste die Sage vom Kyffhäuser war. Später wurde sie auf seinen Großvater Barbarossa übertragen. Sie drückten die Sehnsucht der Menschen nach verlorenen Werten und Verhältnissen aus.
Der Bruch der Schenken mit dem Wettiner Landgrafen Albrecht, dem Entarteten, war endgültig. Dieser setzte seinerseits die Landgrafschaft für seine Dynastie aufs Spiel, was seine Söhne Friedrich, der Gebissene oder der Freidige und Theoderich (Dietzmann) nicht hinnahmen, sollten sie doch durch ihren Stiefbruder Apitz enterbt werden. Der Gipfel des Streits zwischen Vater und Söhnen war der Verkauf der Landgrafschaft an den neuen Kaiser Adolf von Nassau für 12.000 Mark Silber. Nach einer letzten Schlacht 1295 bei Döllstädt und Fahnern besiegten die Brüder das Heer des Kaisers und eroberten die Landgrafschaft zurück.
Das Ende der Schenken von Vargula im Ort ihres Ursprungs war nah. Der neue Landgraf von Thüringen, Friedrich, der Freidige, hielt zwar noch vorwiegend Hof auf der Wartburg, sein Hauptaugenmerk richtete sich aber Richtung Osten, wo Meißen inzwischen das Zentrum bildete. Die Gebiete westlich der Werra hatte sein Vater Heinrich der Erlauchte bereits 1264 an die Erben von Sophie im Friedensschluss abgetreten. Hier entstand die Landgrafschaft Hessen. Sein Bruder Dietzmann, bei dem Rudolf IV. als Ministerial diente, war Herr über das Osterland und das Pleißeland.
Am Ende des 13. Jahrhunderts blühte die Stadt Erfurt auf und Vargula war für ihren Handel ein Dorn im Auge. Der letzte Schenk von Vargula, der seinen festen Wohnsitz auf der Burg Vargula einnahm, war Heinrich. Wahrscheinlich stammte er von Rudolf III. ab. Er musste sich verstärkt mit den Bürgern der Stadt Erfurt auseinandersetzen. Diese heuerten ihrerseits Söldner an, um ihre Interessen durchzusetzen. Die moderne Burg in Vargula war für sie uneinnehmbar, aber im Dorf und Umland setzten sie den Schenken zu.
Erfurt war durch den Handel mit Waid, einem blauen Farbstoff, zu Reichtum gelangt. In den Mühlen in der Stadt an der Gera wurde es gemahlen. Das Stapelrecht, die vollständige Entladung aller einkommenden Waren, sorgte für Wohlstand der Gewerbe in der Stadt. So war aus Sicht Erfurts nur allzu verständlich, dass sie auch das Umfeld kontrollieren wollten. Hinzu kam, dass man Anbauflächen für Waid benötigte, um die gesamte Produktion zu bedienen.
Die Schenken von Vargula mussten abwägen. Obwohl sie im Besitz einer der modernsten Burgen der Zeit waren, verlor diese ihre strategische Bedeutung. Der Fernhandel verlagerte sich durch die Via Regia von Frankfurt kommend auf eine andere Route durch Thüringen. Von Eisenach gelangte man nun über Gotha, Erfurt nach Naumburg und Leipzig, dem neuen Drehkreuz Richtung Osten. Moderne Brücken ersetzten die Furten.
Das Verhältnis zu den Wettinern hatte sich nach Heinrich, dem Erlauchten, verändert. Die jungen Fürsten Friedrich und Dietzmann protegierten andere Ministeriale in den führenden Positionen. Die Kette der engen Verbundenheit, die das Landgrafenhaus von Thüringen mit der Familie der Schenken von Vargula über Jahrhunderte verband, war durch den Streit mit Albrecht gerissen. Daher ist es nur verständlich, dass die Prinzen die ursprüngliche, von Kindheit an geprägte Vertrautheit mit den Schenken nicht kannten. Sie mussten ihren eigenen Weg gehen. Besonders tragisch war die Situation für Rudolf III., einem der bedeutendsten Feldherren und Ritter seiner Zeit in seinen letzten Lebensjahren. Er musste mit ansehen, wie nach allen seinen Taten die Entfernung zur absoluten Spitze im Reich und der damit einhergehende Machtverlust für sein Haus wuchs.
Generell war das Rittertum über den Zenit ihrer Bedeutung als Elitekämpfer hinweg. Viele von ihnen gingen als Raubritter in die Geschichte ein und verdingten sich ihren kargen Unterhalt als Wegelagerer.
Unter Berücksichtigung aller Fakten, entschlossen sich die Schenken Vargula aufzugeben.
Darlegungen unserer Chronik von Albert Arnstadt treffen Aussagen über die Besitzverhältnisse auf Grund des Lehnsrechtes der Schenken.
Das Lehen Vargula erhielten die Schenken einst vom Kloster Hersfeld oder Fulda, worauf einige Urkunden verweisen. Die Klöster unterstanden einst direkt den Karolingern, Ottonen, Saliern und Staufern als Kaisern. Der Investiturstreit und Fragen nach Besitzverhältnissen im Reich spielen in diese Thematik hinein.
Von besonderer Bedeutung sind mehrere Urkunden, die Arnstadt auf den Seiten 58 und 59 seiner Chronik beschreibt. Die Niedermühle (Neumühle) und ein Hof mit entsprechendem Landbesitz wurden 1197 an einen Erfurter Bürger (Pfarrer Albert der St. Lorenzkirche Erfurt) verkauft. Diese Lehensrechte hatten die Schenken von den Thüringer Landgrafen (jetzt aus dem Haus Wettin) erhalten. Zu diesem Zeitpunkt gingen sie bereits mit dem Gedanken, Vargula zu verlassen, schwanger.
Heinrich, der letzte Schenk auf der Stammburg Vargula, starb um 1300 (Arnstadt). 1323 ging der Besitz offiziell an das Kloster Fulda über.
Albert Arnstadt beschrieb die späteren Familienverhältnisse und Taten der Schenken in der Chronik von Vargula bis 1920 ausführlich. Die Nachkommen der Hauptlinie leben unter dem Familiennamen Schenk von Tautenburg im 21. Jahrhundert in Baden-Württemberg.
Ihren Ursprung und Höhepunkt ihrer Macht hatten sie als Schenken von Vargula.
Der Stammbaum der Schenken von Vargula
Albrecht von Vargula, verheiratet mit Oda von Wettin (erwähnt1017)
Wilhelm von Vargula (erwähnt 1042, Gefolgsmann Kaiser Heinrich III.)
Phillip von Vargula (erwähnt bei einem Turnier in Göttingen )
Rudolf I., seit 1178 offiziell Schenk von Vargula, Bruder Kunemund von Vargula, Marschall von Eckardsberga und ein Verwandter war Truchsess von Schlotheim.
5 Söhne Rudolf I.: Rudolf II. (Schenk von Vargula), starb um 1242, Walter (Schenk von Vargula) Heinrich (Schenk von Apolda, 2 Söhne Heinrich und Dietrich), Kunemund (Ritter des Deutschen Ordens) und Bertold (ebenso Ritter des Deutschen Ordens), wahrscheinlich eine Tochter Hedwig, die mit ihrem Cousin Kunemund verheiratet war.
4 Söhne Rudolf II.: Rudolf III. (Schenk von Vargula), Heinrich (Schenk von Kefernburg, starb 1250), Dietrich (Schenk von Saaleck, hatte 4 Söhne und 1 Tochter), Albert, wahrscheinlich 2 Töchter, Mechthild und eine Schwester, die mit Dietrich „dem Schwarzen von Apolda“ verheiratet war.
Neue Besitzer der Burg und
Herrschaft Vargula
Am 29. Juni 1323 wurden die Burg und die Herrschaft Vargula an das Kloster Fulda verkauft (Urkunden (1) und (2)).
So stand es in den Urkunden. Abt Heinrich VI. (1277 - 1353) von Hohenberg fungierte als Käufer, die Herren Hermann und Friedrich von Treffurt, Spangenberg, Drivorte (1) und Herren aus Stutterheim zu einem Viertel (2) agierten als Verkäufer. Der Verkaufspreis lag bei 900 Mark Silber, wofür Arnstadt 21.600 Mark in der Chronik von Vargula (Abschluss 1920) als Vergleich angab. Abt Heinrich war von 1315 bis zu seinem Tod 1353 der Vorstand des Klosters Fulda, das schon früher Besitz in Vargula hatte.
Nach einer Urkunde vom 18. Mai 874 schlichtete Ludwig III. (Sohn Ludwig des Deutschen) einen Streit zwischen dem Bischof von Mainz (Erzbischof Luidpert) und dem Kloster Fulda (Abt Siegehard) über Pfründe in Vargula (Dob. II; 307) zugunsten des Klosters Fulda. Die Siedlung musste 8 Schaffelle, 2 Rinderhäute, Bier und Holz zum Brauen an die Fischer des Klosters liefern. Mönch Eberhard (Geschichte der Zeugung Karl des Großen) sprach von 84 Hufen (= 252 Morgen), also über 60 ha.
Über die Verkäufer liegen Informationen aus alten Urkunden vor (3), eine Beziehung zu Vargula konnte außer dem Verkauf bis jetzt (2019), nicht nachgewiesen werden.
Die Ritter Hermann und Friedrich stammten aus Treffurt (Drivorte) und waren auch nach einer Fehde mit ihren Verwandten im Besitz von Spangenberg. Es dürfte sich also bei den Namen mit drei Ortsbezeichnungen um identische Personen handeln. Ihre Burgen lagen an der Werra und im heutigen Bundesland Hessen. Die Herren von Stutterheim hatten ihre Stammburg im heutigen Ortsteil Erfurt, Stotternheim.
Beide Geschlechter standen im Dienst der Thüringer Landgrafen und waren daher für die Schenken von Vargula keine Unbekannten. Die Schenken ihrerseits waren weit verzweigt und mit vielen Adelsfamilien liiert, eine dynastische Beziehung zu den Treffurtern konnte bisher nicht gefunden werden. Vielleicht ergeben zukünftige Forschungen eine Lösung. Verbindungen nach Stotternheim werden an späterer Stelle dargelegt.
Kurz nach dem Verkauf von Vargula galten die genannten Ritter von Treffurt als Raubritter. Ihr Berufsstand durchlebte schwierige Zeiten. Wechselnde Herrschaften, neue Waffensysteme, aber vor allem ein Klimawandel machte den Rittern alter Prägung in deutschen Landen schwer zu schaffen. Auch Thüringen blieb nicht verschont. Arnstadt berichtete, dass 1316 in Erfurt die Äcker 7 Jahre unbebaut blieben und über 8.000 Menschen an Hunger starben. 1324 führten die Bürger der Stadt Krieg gegen die Pfaffen.
Mitte des 13. Jahrhunderts entdeckten die Erfurter Bürger den Wert des Waids, deren Pflanzen bereits im 12. Jahrhundert in Thüringen angebaut wurden. (4)
Im Lauf der nächsten Jahrhunderte beruhte der sagenhafte Reichtum der Waidbarone auf der Verarbeitung dieser Pflanze zum blauen Farbstoff und dem Handel damit. Im Stadtgebiet baute man Kanäle, die von der Gera gespeist wurden. An den Ufern entstanden Mühlen. Das Klima und die Bodenfruchtbarkeit im Thüringer Becken waren prädestiniert für den Anbau des Waids, die Verarbeitung aufwendig. Ein Arbeitsschritt bestand in der Anreicherung der Masse mit menschlichem Urin. Die Waidknechte mussten dazu viele Liter Bier konsumieren und waren anschließend nicht in der Lage, Tätigkeiten zu verrichten. „Sie machten blau.“ (Geschichten des Nachtwächters der Stadt Erfurt)
Erfurt wurde reich und mächtig. Die Stadtmauern zum Schutz der Einwohner verstärkte man, und alle Waren, die die Tore passierten, mussten abgeladen (Stapelpflicht) und zuerst den Erfurter Bürgern angeboten werden. Eine Gedenktafel in der Nähe der Krämerbrücke erinnert an einen der genialsten Rechenmeister Deutschlands, Adam Ries. Er arbeitete für die Waidbarone als Buchhalter und entdeckte neue Rechenmethoden zur Verwaltung ihrer Vermögen.
Die Interessenskonflikte zwischen der aufstrebenden Stadt Erfurt und den Schenken von Vargula wurden bereits im letzten Kapitel beschrieben. Die Schenken ihrerseits hatten ihr Machtzentrum gen Osten verlagert und besaßen in Vargula nur noch letzte Gebiete, die sie selbst veräußerten oder deren Verkauf oder Nutzung sie zustimmten (Urkunden (2)).
Bereits Ende des 13. Jahrhunderts lebten einige Vargulaer in der Stadt Erfurt, besaßen aber Grundbesitz im Ort ihrer Geburt.
Die Verflechtung dieser Landjunker mit den Interessen Erfurts und dem Deutschen Orden waren für die Geschichte Vargulas im 14. Jahrhundert prägend und Ursache für Besitzwechsel und gesellschaftliche Veränderungen.
(1) Lukas Verlag, „Erfurt im Mittelalter Band 1“ ISBN 015129128591
(2) Albert Arnstadt: „Vargula. Ein Beitrag zur Thüringer Kulturgeschichte.“
(3) Wikipedia, „Die Ritter Hermann und Friedrich von Treffurt“
(4) www.seilnacht.com/Lexikon Indigo
Anbaufläche für Waid und dessen Verarbeitung, der Knotenpunkt alter Handelswege und eine moderne Burg, die nur mit hohem Aufwand erobert werden konnte, waren die Trümpfe die Vargula um 1300 bot.
Im Lauf der nächsten drei Jahrhunderte verloren alle drei ihre Bedeutung und im 21. Jahrhundert kann sich niemand die einstige Stellung des Ortes vorstellen. Etwa 300 Jahre gehörte Vargula zu Erfurt.
Über Landverkauf und Besitzerwechsel der Niedermühle 1197 existieren mehrere Urkunden, die Arnstadt ausführlich beschreibt. Auf Seite 59 seiner Chronik schreibt er: „…weshalb die Niedermühle und das nachmalige Wörtsgut im sächsischen Besitz waren...“. Der Verkauf der Mühle an einen Erfurter Pfarrer (Albert) sorgte kurze Zeit später für gerichtliche Auseinandersetzungen. Bereits 1308 wechselte besagte Mühle erneut den Besitzer. Heinrich von Halle und der Erfurter Bürger Berthold, genannt Unsothi, erwarben per Gerichtsbeschluss in Anwesenheit des Landgrafen Friedrich I. die Mühle. Am 8. August 1316 bestätigte Rudolf V., Schenk von Vargula (der Titel wurde noch lange Zeit verwendet) den geänderten Verkauf.
Bereits Arnstadt beschrieb die inneren Besitzverhältnisse in Vargula, sie sollen nur noch einmal verdeutlicht werden. Die Herrschaft (Burg und Vogtei) erhielten die Schenken einst vom Kloster Fulda als Teil des Machtapparates eines herrschenden Königs (Karolinger, Ottonen, Salier, Staufer usw.), es war ein Erblehen. Zusätzlich pachteten sie Land vom Landgrafen. Auch diese Pacht war ein dauerhaftes Erblehen. Mit dem Ende der Thüringer Landgrafen aus dem Geschlecht der Ludowinger, ging deren Besitz auf das sächsische Haus Wettin über. Die Niedermühle war ein Beispiel dafür. Die neuen Besitzer (Erbbaupächter) erhielten es als Erblehen, Eigentümer blieb bis 1806 (Neuordnung in deutschen Landen) das Haus Sachsen-Wettin.
Die Herrschaft ging 1323 an das Kloster Fulda, später an den Deutschen Orden, an Erfurt usw..
Die Gier nach Macht und Reichtum beherrschte seit allen Zeiten das Handeln der Menschen. Waid war zu Beginn des 14.Jahrhunderts das Tor zur Befriedigung des Triebes für die Menschen in unserem Ort und im Erfurter Umland. Den Rausch (Ausdruck?) erfuhren wie stets in der Geschichte nur Wenige und nach kurzer Zeit war er verflogen.
Der Verkauf der Neumühle an den Pfarrer der Lorenzkirche zu Erfurt, zahlreiche Landkäufe der Klöster (Augustinerkloster Erfurt, Nonnenkloster Ichtershausen,, Volkenroda usw.) sind Erklärungen für den Hass der Erfurter Bürger gegen die „Pfaffen“, die wie andere Waidbarone skrupellos den Anbau der Pflanze gegen Nahrungspflanzen voran trieben und so Hunger der Bevölkerung in Kauf nahmen. Unter diesem Aspekt betrachtet, machte es für ein geografisch entferntes Kloster wie Fulda Sinn, am neuen Goldrausch in Thüringen zu partizipieren. Langensalza besaß nach Erfurt die größte Dichte an Waidmühlen in Thüringen (3).
Bevor die Stadt Erfurt selbst in den Besitz des Juwels Vargula kam, wurde die Vogtei über den Ort an den Deutschen Orden verkauft.
Abt Heinrich veräußerte am 2. Februar 1340 Schloss und Amt Vargula an den Hochmeister des Deutschen Ordens Theoderich von Altenburg. Über die Motive des Verkaufs kann nur spekuliert werden. Ohne direkte Beziehungen zum Ort war es zu allen Zeiten schwer, erfolgreiche Geschäfte in der Ferne zu tätigen. Die Machtverhältnisse in Thüringen hatten sich für Fulda seit dem ersten Besitz von Vargula im 8. Jahrhundert grundlegend geändert. Eine Zentralmacht wie unter den Karolingern gab es nicht mehr. In der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts kämpften die Thüringer Landgrafen aus dem Haus Wettin um ihre eigene Hausmacht gegen den Kaiser und auch gegen Erfurt.
Nach langen Kämpfen sicherten sie sich weite Gebiete in Thüringen, im Osterland (Gebiet östlich der Saale, beinhaltete Land an Mulde und Pleiße, dessen Zentrum Leipzig wurde) und in der Mark Meißen. Fürsten, Grafen und kleinere Adlige besaßen Land und übten dort die Herrschaft aus. Aber vor allem die Städte hatten durch Handel und Handwerk ihrer Bürger enorm an Macht und Einfluss gewonnen und waren finanziell in der Lage, Söldnerheere zu bezahlen. Die bedeutendste Stadt jener Zeit in Thüringen war Erfurt. 1309 versuchte der Thüringer Landgraf Friedrich I. die Macht der Stadt zu beschneiden, indem er die Handelswege blockierte (5). Ein weiterer Grund für Hunger und Rebellion in der Stadt.
Auch Klöster, eigenständig oder unter dem Einfluss von Bischöfen außerhalb Thüringens, waren ein Machtfaktor.
Anders als Fulda war der Deutsche Orden direkt mit Vargula verbunden. Ritter des Ortes traten aus verschiedenen Beweggründen in die Bruderschaft ein. Bereits zwei Söhne Rudolf II. schlossen sich laut Arnstadt dem Orden an. Über die Beweggründe kann nur spekuliert werden. Als „Spätgeborene“ adliger Familien, wie der Schenken von Vargula, besaßen sie keinen Anspruch auf die Herrschaft. Im 13. und zu Beginn des 14. Jahrhunderts waren die Pfründe in Thüringen und den bis dato eroberten Gebieten im Slawenland verteilt. So blieb nur der Eintritt in eine Eroberungstruppe, wollte man neuen Raum erschließen. Dafür war der Deutsche Orden prädestiniert. In diverser Literatur beschrieb man Entstehung und Wirken dieser Vereinigung. Deshalb soll an dieser Stelle nur die Verbindung zwischen der Ballei Thüringen und Vargula geschildert werden.
Die Ballei Thüringen des Deutschen Ordens leiteten zwei Landkomture aus Vargula. Die Position begleiteten Gottfried von Vargula, genannt Krug, in den Jahren 1295 und 1296, sowie Heinrich von Vargula 1312 bis 1324. Beide waren auch Landkomture der Ballei Sachsen mit Sitz in Lucklum (Landkreis Wolfenbüttel im heutigen Niedersachsen). Gottfried 1290 und Heinrich 1317. (Punktsetzungen irritieren!) (Wikipedia Warum hier diese Art des Zitierens?). Heinrich agierte 1308 und 1310 auch als Komtur von Marburg, der Grablege der Heiligen Elisabeth. Die Brüder des Ortes profitierten vom Pilgerstrom zu diesem Wallfahrtsort.
Die Position des Landkomturs für Thüringen nahm auch Friedrich von Treffurt in den Jahren 1342, 1345 - 1360 und 1362 ein. Wahrscheinlich handelte es sich um jene Person, die beim Verkauf von Vargula im Jahr 1323 an das Kloster Fulda auftauchte. Ob Gottfried und Heinrich Söhne der Schenken waren, kann nur in den Archiven des Deutschen Ordens erforscht werden. Es ist sehr wahrscheinlich, dass Ritter, die Besitz in die Bruderschaft einbrachten, mit hohen Positionen betraut wurden. In unruhigen politischen Zeiten, in denen einzelne Adlige um Macht und Besitz fürchteten, schlossen sie sich lieber einer starken Gemeinschaft an, auch wenn sie persönliches Eigentum dadurch aufgaben. Auch andere Orden und Glaubensgemeinschaften bis hin zu den Christlichen Kirchen profitierten und profitieren bis in die heutige Zeit von Schenkungen aus dem Mittelalter.
Die Beteiligung der Ritter aus Treffurt am Verkauf von Vargula aus dem Jahr 1323 könnte mit dem Deutschen Orden zusammenhängen.
Ein großes Vermächtnis für Vargula hinterließen die Ordensritter durch die Sicherung der Patronatsrechte an der Kirche für den Ort seit dem 28. Juni 1382. Arnstadt verwies auf das Drängen der Stadt Erfurt zur Erlangung dieser Rechte beim Ankauf von Vargula.
Die Ballei Thüringen hatte enorme Schulden (Wikipedia s. auch vorher!). Trotz großzügiger Spenden musste sie im Verlauf der nächsten Jahrhunderte fast ihren gesamten Besitz in Thüringen verkaufen und damit aufgeben.
Von 1801-1835 bestanden nur noch 3 Balleien (Der Begriff ist noch nicht erläutert!), Griefstedt, Nägelstedt und dem Namen nach eine Ballei Thüringen (Arnstadt).
So erfolgte am 23. Juni 1385 (Heiliger Johannisabend) der Verkauf der Burg und des Ortes Vargula für 3050 Schock guter Meißener Groschen an die Stadt Erfurt. Arnstadt beschrieb ab Seite 79 seiner Chronik ausführlich diesen Vorgang und druckte auch den Originalkaufbrief ab. Die Ordensbrüder vertraten Siegfried von Fennyngen (Meister des Deutschen Ordens) und Friedrich von Liebsperg (Landkomtur Thüringens).
Die Ursache für Erfurts Reichtum, den Waidhandel, wurde bereits beschrieben. Dieser Reichtum ermöglichte die Gründung einer Universität. In der zweiten Woche nach Ostern im Jahr 1392 eröffnet, war sie die älteste Universität Deutschlands (Wikipedia s. vorher).
In unserer alten Chronik ab Seite 78 erfolgte eine detaillierte Beschreibung der Geschichte der Stadt. Am Ende des 14. Jahrhunderts hatte sie ihre Glanzzeit und absoluten Höhepunkt. Sie spielte auch in den folgenden Jahrhunderten bis zum heutigen Tag stets eine tragende Rolle für Thüringen und die deutschen Landen, erreichte aber nie wieder eine solch außergewöhnliche Machtstellung.
Einen wesentlichen Beitrag dazu leistete auch unser Ort Vargula. Erfurt würdigte Vargula durch die Aufnahme in das Erfurter Stadtwappen.
Arnstadt schreibt: „Rechtlich war Erfurt eine Mainzische Landstadt, die etwa ab 1250 unabhängig war. Durch die Geldnot von Mainz und die Ohnmacht der Landesfürsten strebte es nach Reichsunmittelbarkeit.“ Auf den Seiten 78 und 79 seiner Chronik über Vargula schilderte er die Käufe der Stadt Erfurt. Durch den Kauf von Kapellendorf, einem Reichslehen, also unabhängig von Fürsten, konnte ein Wochenmarkt, Marktzoll und Münzrecht erworben werden.
Die Verbindung zur aufstrebenden Stadt Erfurt bestand bereits lange vor dem Kauf 1385, was in zahlreichen Urkunden dokumentiert wird.
Arnstadt beschreibt ab Seite 56 mögliche Nachfahren der Schenken von Vargula, die in höchste Kreise und Gremien der Stadt Erfurt aufgestiegen waren. Theodor von Vargula trug angehängt an seinen Namen den Titel „Schenk von Vargula (Theoderikus pincerna de Varila). Er war Ratsherr der Stadt und tauchte als Zeuge 1265, 1288, 1289 gemeinsam mit seiner Frau Jutta, 1291, 1292, 1303 und 1305 auf. Eine Urkunde von 1296 zeigte eine Verbindung zwischen einem Ritter Walter von Vargula und Ehefrau Jutta mit dem eben genannten Ratsherrn Theodor. Es ging um Besitz in Ulla, der schließlich an das Kloster zu Oberweimar ging. Theodor oder Theoderich besaß den Beinamen „von Weimar“, war aber Erfurter Bürger.
Sein Sohn, der ebenfalls den Namen Theodoricus trug, war Rechtsritter der Stadt Erfurt im Jahre 1351 und trat 1327 und 1328 als Zeuge auf. Auf ein sehr interessantes Detail wies Arnstadt in einer Quelle aus 1323 hin. Der genannte Nachfahre Theodor hatte Landbesitz in Stotternheim.
Beim Verkauf von Vargula 1323 an das Kloster Fulda besaßen die Herren von Stutterheim (Stotternheim) ein Viertel der Burg und des Ortes. Es könnte also ein Zusammenhang von Theodor mit einer Linie der Schenken von Vargula bestanden haben.
Erfurter Bürger, aus Vargula stammend, waren Friedrich (genannt 1265 - 1270 und ein Namenspatron 1351 - 1371), zudem Eckbertus in Quellen von 1278 - 1299, Fritz von Varila 1357 mit Besitz in Linderbach (Friedrich und Fritz könnten identisch sein) und Andreas de Varila 1318 und 1319.
Ratsmeister waren Tietzel von Varila 1331 und Dietrich de Varila 1361. Alle genannten Personen traten mit Grundbesitz in den Quellen auf und befanden sich in exponierter Stellung.
Auch in kirchlichen hohen Ämtern fand man Nachfahren der Schenken. Arnstadt berichtet, dass aus den Nachfahren der Schenken von Kevernburg (Linie von Rudolf III., Bruder Heinrich) und aus der Linie Heinrich von Apolda-Schenken von Nebra geistliche Würdenträger entstammten. Naumburger Bischof wurde laut Wikipedia Rudolf von Nebra 1352 - 1359.
Im Benediktinerkloster zu Erfurt befanden sich zwei Grabsteine mit den Namen Heiderico de Varila gestorben 1334 und Petrus de Varila gestorben 1392.
Die bekannteste Grabplatte befindet sich indes in der Barfüßerkirche zu Erfurt. Das Denkmal war der Cinna (Katharina) von Vargula gewidmet. Sie war die Tochter Friedrichs von Vargula und starb am 12. Juli 1370. Verheiratet war sie mit dem Erfurter Bürger Rudolf Ziegler.
Das Kunstwerk eines Erfurter Künstlers gilt als herausragend und der Künstler selbst wird laut „Kleine thüringische Geschichte“ von Jonscher und Schilling als bedeutendster Künstler des 14. Jahrhunderts in Thüringen bezeichnet.
Zu jener Zeit war Langensalza der bedeutendste Ort des Waidgewerbes nach Erfurt. Auch in dieser Stadt begleiteten Vargulaer wichtige Ämter. Apel Varila wurde Ratsmeister der Stadt (1392) und Konrad Varila war Besitzer einer Mühle in der Bornklagengasse.
Im Werk „Erfurt im Mittelalter“ schreibt Udo Hopf einen umfassenden Beitrag zu Großvargula. (1) Die Lage und baugeschichtlichen Details werden ausführlich beschrieben. Alle bis zum jetzigen Zeitpunkt wissenschaftlich belegten Quellen und Daten sind in der Veröffentlichung enthalten.
Die alte Burg der Schenken von Vargula wurde 1408 (nach Arnstadt) umgebaut. Die Kemnate (Arnstadt) oder Kemenate (Hopf) entstand innerhalb der alten Burganlage. Nach dem Besitzerwechsel war die Burg zu Beginn des 15. Jahrhunderts in die Jahre gekommen. Für Erfurt stellte sie aber immer noch einen strategisch wichtigen Standpunkt dar.
Arnstadt und Hopf berichten, dass bereits 1403 ein Amtmann (Hans von Töpfern) und ein Vogt (Dietrich Schadfeld) für 3 Jahre die Burg von Vargula im Auftrag Erfurts besetzten.
Kemenate beschreibt Mittelhochdeutsch (3) einen Kamin oder Kachelofen, also eine beheizbare Burg als Wohn-und Arbeitsstätte in diesem Fall. Die „Elisabethkemenate“ auf der Wartburg wird in mehreren Szenen der Mosaiken an den Wänden von den Schenken von Vargula dargestellt. Zum Baubeginn der Kemnate am 15. August 1408 waren Günter von Mylwitz, Kurt von Muß und Hans von Sangerhausen (Kämmerer) mit ihren „Kompanen“ die Herren der Burg in Vargula.
Die Quader des Neubaus wurden im Steinbruch am Riedsberge, der bis zur Separation im Besitz des Rittergutes war, geschlagen (Arnstadt). Erhalten geblieben ist bis zum heutigen Tag (2019) der Brückenturm aus der Zeit der Kemnate.
Zwei Zeichnungen der Anlage sind in der Chronik von Albert Arnstadt zwischen den Seiten 86 und 87 abgebildet. Wahrscheinlich sind es Fotografien der Zeichnungen von Karl Gattinger, die er im Besitz der Familie Gattinger beschreibt. Eine Schnitzarbeit mit dem Modell der Kemnate führte der ehemalige Besitzer der Mittelmühle Karl Baumgart aus. Sie befand sich, gemeinsam mit ausgestopften Tieren, unter anderem der Hamsterkapelle (Bild neue Chronik) im Haus der Familie Harmuth. Ein Erfurter Museum erwarb die Exponate.
Auf der Zeichnung ist der Wassergraben, der die Burganlage umgab, ersichtlich. Gespeist wurde er von den Quellen des Winterbergs, die noch heute existieren. Der Teich vor dem Schloss ist ein Überbleibsel des alten Burggrabens. Hopf (1) veröffentlichte Lagepläne Wasserburg und der alten Burg (S. 135) mit der Vorburg, die sich im heutigen Schlossgarten befand und vom alten Unstrutarm umflossen wurde. (S.148). Mit Hilfe beider Pläne ist eine Vorstellung der einstigen Anlagen möglich.
Im Gelände befanden sich neben der Kemnate ein Brauhaus und eine Kapelle, der Bergfried, der alte Palas der Schenkenburg und der Torturm. Gesichert wurde die Anlage von 2 riesigen Bollwerken, Ring- und Zwingmauer. Darum floss der Burggraben. Hinzu kamen die beiden Arme der Unstrut, die eine Insellage ermöglichten. Ob ein Unstrutarm (an der Nordseite) irgendwann künstlich angelegt wurde, bleibt Spekulation. Hier befand sich laut Arnstadt eine Zugbrücke.
Über das Brauhaus wurde im Artikel „Weinbau“ berichtet, in der Schlosskapelle wurde noch 1794 der Amtmann Hunold getraut (2).
Über der Nordfassade der Kemnate befand sich ein Wappenstein. Nach einer Odyssee ziert er 2019 eine Wand im Pflegeheim Großvargula. Im großen Erfurter Wappen befinden sich unten von links nach rechts „Der Adler von Vieselbach“, „Die Pfähle von Kapellendorf“ und das „Rad von Vargula“, darüber sind „Das Rad von Erfurt“ und das „Geteilte Feld von Vippach“. Gekrönt wird das Wappen vom „Erfurter Helm“ und einem „Raben“. (2) Beachtenswert ist das sechsspeichige Rad auf einer Prozessionsfahne. Die, welche sich im Erfurter Dom befindet, ist achtspeichig.
„Anno Domini 1408 in vigilia Assumptionis Mariae incepta est haec Kemnata“ stand an einem Eckstein der Kemenate. Übersetzt lautet dies: „Im Jahre des Herrn 1408 am Vortag zu Mariä Himmelfahrt ist diese Kemenate begonnen“, also am 14. August 1408 war Baubeginn.
Im Gelände befanden sich zudem zahlreiche Wirtschaftsgebäude. So berichtete man von einem Vorratshaus, das im Jahr 1443 errichtet wurde. Es war 60 Fuß lang, 29 Fuß breit und 40 Fuß hoch. Umgeben war es von einer 10 Fuß breiten Mauer, hatte kleine Fenster und lag hinter dem steinernen Eingangstor der ehemaligen Zugbrücke (Nordseite). (Arnstadt)
Das Amtshaus, Wohnhaus und Sitz des Amtmanns (vergleichbar einem Gouverneur, Verwalter und oberster Richter der Provinz Vargula), wurde 1573 erbaut (2), dessen Umbau wird noch beschrieben. Die vorherige Nutzung des Grundstücks verschwand im Nebel der Geschichte. Im Jahr 2019 steht an dieser Stelle ein Schloss, das sich in einem tragischen Zustand befindet.
In Arnstadts Chronik wurden zahlreiche Amtmänner erwähnt. Eine Liste, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt und sicher durch alte Urkunden der Stadt Erfurt ergänzt werden kann, soll an späterer Stelle folgen.
Vargulas Rolle in der Geschichte hatte sich mit der späteren Zugehörigkeit zu Erfurt verändert und diese stand teilweise in Gegnerschaft zu den einstigen Herren des Ortes, den Schenken.
Die Söhne Rudolf III., Schenk von Vargula, des größten Heerführers im 13. Jahrhundert in Mitteldeutschland, Rudolf IV. und Heinrich (beide noch Schenken von Vargula) hatten sich auf Grund der Ereignisse um Albrecht des Entarteten auf die Seite seiner Söhne Friedrich und Dietzmann gestellt. Wie bereits beschrieben, mussten sich beide Wettiner ihren ererbten Besitz in Thüringen, im Osterland und in der Mark Meißen erst erkämpfen.
Ihr Vater Albrecht verbündete sich aus gravierender Geldnot mit Erfurt. Diesen Zwist versuchte der Kaiser Rudolf I. (1273 - 1291) zu seinen Gunsten auszunutzen, um eine starke Zentralgewalt des Reiches zu etablieren. Mit einem Söldnerheer, finanziert von Erfurt, das seinerseits Unabhängigkeit von Mainz anstrebte, ließ er 70 Burgen in Thüringen schleifen (5) (6). Darunter dürfte die Tretenburg bei Herbsleben/Gebesee gewesen sein.
Als offizieller Grund wurde die Wahrung des Landfriedens genannt. Raubritter, die ihre Stellung als Streitkräfte allmählich verloren, hatten durch Wegelagerei die Handelsinteressen der Stadt Erfurt beeinträchtigt.
(5) Reinhard Jonscher; Kleine Thüringer Geschichte
(6) Thomas Bienert; Mittelalterliche Burgen in Thüringen
Burg Vargula blieb in diesem Konflikt auf Grund der außergewöhnlichen Stellung der Schenken verschont.
Rudolf IV. und die Söhne Rudolf V., Heinrich und Dietrich gerieten als Schenken im Bereich der Saale (Saaleck, Dornburg, Tautenburg und Rudelsburg) im 14. Jahrhundert in Kämpfe mit den Wettinern. Friedrich II. wurde von Erfurt unterstützt.
Rudolf V. war in erster Ehe mit einer Gräfin von Orlamünde verheiratet, als zweite Gattin ehelichte er Elisabeth von Querfurt. In diesem Ort übten die Schenken das Amt als Verantwortliche für die Münzprägung aus und waren in hoher Stellung bei den Edlen von Querfurt.
Wechselnde Bündnisse und Machtverhältnisse beeinflussten die inneren Verhältnisse in Vargel im Verlauf des 15. Jahrhunderts. Mit Friedrich IV., dem Friedfertigem, starb 1440 der letzte Wettiner, der den Titel „Landgraf von Thüringen“ als Haupttitel vor allen anderen Würden führte.(7)
(7) Wilfried Warsitzka; Die Thüringer Landgrafen
Die Wettiner nutzten von nun an die Titel „Kurfürst“ und „Herzog zu Sachsen“, Vargula blieb Teil ihres Erbes. Vargula, Burg und Einkünfte aus dem Ort wurden für einige Jahre verliehen. Der Krieg zweier Brüder aus dem Haus Wettin führte 1456 zum Beginn des Dramas. Erfurt selbst befand sich auf dem absteigenden Ast. Der Reichtum aus dem Waidhandel versiegte allmählich. Größenwahn im Spiel um die Macht in Thüringen, der Verlust der Monopolstellung für Waid und neue Machtkonstellationen in Europa waren einige Gründe. Besonders in Westeuropa tobte der Krieg der Könige. (8)
(8) ZDF-Reihe Terra X; Der Krieg der Könige
Erfurt, fernab der Kriegshandlungen zwischen Burgund, England und Frankreich, hatte Handelsbeziehungen zur Tuchindustrie in Flandern und England und somit Abhängigkeiten.
Direkt einbezogen war es in die Kämpfe Thüringen. Keine Könige, aber Fürsten und Herzöge der Wettiner führten Krieg.
Vargula kam zu einem Spielball herunter (Ausdruck!) und wurde als Kriegsbeute verliehen. Die alten Widersacher aus Tonna, inzwischen Grafen von Gleichen, erhielten in Person von Adolf und Siegmund von Gleichen von Erfurt die Pfandrechte an Vargula für 12 Jahre, und Siegmund wurde 1456 Amtmann auf der Burg.(Arnstadt) 1470 verlängerte sich der Vertrag um weitere drei Jahre.
Eine Episode dieses Wettinischen Bruderkrieges war der Prinzenraub zu Altenburg.(5) Die entführten Jungen Albert und Ernst teilten in ihrer späteren Regierungszeit die wettinischen Landen in zwei Teile und begründeten zwei Linien, die Albertinische und die Ernestinische. Beide besaßen Ländereien in Thüringen.
Wein wurde in jener Zeit an einigen Hängen der Unstrut angebaut, so auch im Königstal, wovon eine Urkunde des Jahres 1492 berichtet. Die ausführliche Geschichte des Weinbaus im Ort wird in einem eigenen Kapitel erzählt.
Einen Höhepunkt in Bezug auf Einwohnerzahl, Bautätigkeit und wirtschaftliche Bedeutung erlebte Vargula im 15. Jahrhundert bis in die Mitte des 16. Jahrhunderts. Arnstadt veröffentlichte in seiner Chronik eine Statistik zur Entwicklung der Bevölkerung ab 1550. In jenem Jahr 1550 betrug die Einwohnerzahl 1.800 Seelen, in einer Zeit mit hoher Kindersterblichkeit und vergleichsweise zum 21. Jahrhundert marodem Gesundheitssystem. Eine Menge, die nur noch einmal als Folge des 2. Weltkrieges im 20. Jahrhundert auf Grund hoher Flüchtlings- und Umsiedlerzahlen erreicht wurde. Vergleicht man diese Zahl mit den Einwohnerstatistiken um 1500, war die größte Stadt im Einflussgebiet mit deutschstämmiger Bevölkerung Prag mit 70.000 Menschen, Platz 9 belegte Wien mit 20.000 Seelen und Erfurt hatte etwa 19.000 Seelen (aus der Statistik von Wikipedia geht nicht hervor, ob die zugehörigen Gemeinden dazu zählen). Eine derartige Einwohnerzahl von 1.800 von Vargula erscheint im Vergleich zu den Städten enorm und zeugt von einer außergewöhnlichen Stellung in der Region.
Bereits die Schenken von Vargula mussten gewaltige Summen aus der Lage des Ortes requirieren, um sich einen derartigen Wohlstand leisten zu können. Bedenkt man die Ausgaben für den Bau und Erhaltung einer derartigen Burg, die Ausstattung der Ritter mit Schlachtrössern, Schwertern, Kettenhemden und Rüstung, dazu der Unterhalt der Mannschaften und die Reputation bei Hof, so müssen riesige Geldflüsse in ihre Kassen geströmt sein. Alle diese Fakten zeugen von der bedeutenden strategischen Lage bis in das späte Mittelalter. Diese Einnahmen kamen nun Erfurt zu gute. Erfurt investierte einen Teil in Vargula. Ein Rathaus wurde gebaut, davor ein Marktplatz, an dessen Ende eine neue Kirche entstand. Dazu eine Marktstraße, die von einer der Furten des Ortes zum neuen Rathaus führte. Bestimmt gab es an der Straße Geschäfte, mussten doch 1.800 Einwohner und fahrende Händler mit allen möglichen Gütern versorgt werden. Zwei noch im 20. Jahrhundert bekannte und florierende Gasthäuser entstanden in dem Gebiet um das Rathaus.
Neben dem Handel bildeten sicher die drei Mühlen des Ortes eine Haupteinnahmequelle. Durch die Antriebskraft der Unstrut waren die Wassermühlen rentable Unternehmen. Die Obermühle, eingerichtet als herrschaftliche Mühle, die Mittelmühle und die Untermühle, wurden in der neuen Chronik von 2018 ausführlich von Egon Schmidt beschrieben. Hinzu kam im Mittelalter noch eine Waidmühle.
Auch der Ausbau der Oberbrücke mit einem festen Steinbau (um 1510) sprach für die Bedeutung von Vargula als Handelsplatz.
Die Kirchengeschichte Vargulas wurde bereits ausführlich in der neuen Chronik und den vorherigen Abschnitten beschrieben. 1382 übertrug Landgraf Balthasar das Patronatsrecht der Kirche in Großvargula von seinem Haus auf den Deutschen Orden. Dieser verkaufte nach wenigen Jahren den Ort mit allen Rechten an Erfurt. Das Patronatsrecht blieb auch nach dem späteren Besitzerwechseln bei Erfurt. Der vorher in Kirchenfragen geteilte Ort erbaute eine neue Kirche und weihte sie 1434 auf den Namen „St. Jakobus“, wie den Vorgängerbau.
Die Wohnung des ortsansässigen Pfarrers lag nach wie vor unmittelbar neben der von Franken erbauten Bonifatiuskirche, die längst keine Rolle mehr in der inzwischen seit Jahrhunderten vermischten Bevölkerung des Ortes spielte. Auch die Marienkirche im Oberdorf, Gebetsort der ursprünglichen Thüringer Ureinwohner von Vargula, verlor binnen weniger Jahrzehnte seine Bedeutung und verschwand gänzlich aus dem Ortsbild. Auf den Fundamenten der ihrem Stand und Ansehen würdigen Kirche der Schenken von Vargula entstand das neue Gotteshaus. Besucher der Kirche im 21. Jahrhundert sind verwundert über Größe und Ausstattung von „St. Jakobus“, erkennt man die historischen Zusammenhänge und die Bedeutung Vargulas noch im 15. Jahrhundert, erscheint der Prachtbau am Rand des einstigen Marktplatzes logisch. Im Jahr 1510 (1) wurde auch an der Burg eine vierbogige Steinbrücke errichtet, das Amtshaus 1573 auf 5 Pfeilern, die eine tiefere Gründung besitzen.
Vargula, unter dem Schutz Erfurts stehend, wurde in dessen Konflikte hineingezogen. Erfurt war nach dem Machtverlust der Wettiner als Thüringer Landgrafen ab der Herrschaft unter Albrecht dem Entarteten, den inneren Kämpfen der Adelshäuser untereinander und der Schwäche der Erzbischöfe von Mainz über 200 Jahre zur stärksten Macht in Thüringen aufgestiegen.
Der Rat der Bürger leistete sich eine fürstliche Hofhaltung. An fast allen Konflikten im Thüringer Land beteiligte sich die Stadt mit Söldnern, die aus dem Stadtsäckel bezahlt wurden. Man lebte schlicht über die Verhältnisse und häufte Schulden in riesigen Dimensionen an. Diesen Größenwahn bezahlten die einfachen Bürger mit Steuern, und die Juden der Stadt, bei denen der Rat Geld geborgt hatte, mit ihrem Leben: Man ließ den Mob los. Der Erfurter Hochzeitsschatz in der Alten Synagoge zeugt von jenen Pogromen.
Nach der Vertreibung der Juden richtete sich der Aufruhr der Bevölkerung Erfurts nun direkt gegen den Rat.
Klimaveränderungen, Seuchen, Katastrophen gingen in zahlreichen historischen Epochen mit Misswirtschaft der Herrschenden einher.
In Erfurt wütete, wie in weiten Teilen im deutschen Land, zum Ende des 15. Jahrhunderts die Pest. 1472 gab es einen riesigen Stadtbrand. (Arnstadt)
1470 gehörten noch 100 Gemeinden zu Erfurt, zehn Jahre später stand man kurz vor dem Zusammenbruch, der 1509 endgültig mit einem Schuldenstand von 600.000 Gulden eintrat. Der Erzbischof von Mainz, Diether, strebte ab 1480 nach den landesherrlichen Rechten, die Erfurt bis dato mit viel Selbstbewusstsein ignoriert hatte. Die üblichen wechselnden Bündnisse – in dem Fall vereinten sich die Wettiner mit den Mainzer Erzbischof gegen Erfurt, um deren Pfründe zu ernten –, die Aufwiegelung der Bevölkerung gegen den Rat auf Grund sozialer Unzufriedenheit und die Unfähigkeit der Herrschenden in der Stadt führten zum Ende der bestehenden Machtverhältnisse.
Der sächsische Herzog Hans Georg von Sachsen lag 1510 mit großem Kriegsvolk vor Langensalza. Erfurt sandte 26 Verteidiger nach Vargula zur Burg. Ein Trupp Eichsfelder Reiter fand ebenfalls Schutz in der Veste. Deren Herausgabe forderte der sächsische Feldherr Georg von Hopfgarten und ließ die Burg Vargula beschießen. Erfurts Amtmann Rose übergab den Sachsen die Burg freiwillig. Erst 1516 wurde sie von Erfurt für 20.000 Gulden zurückgekauft.
Die Unsicherheit der Zeit nutzte der hessische Adlige Aßmus von Buttler (aus der Nähe von Minden), der seinerseits Erfurt Geld (600 Gulden)geborgt hatte, das er nicht zurück bekam. Am 1. November 1517 überfiel er Vargula und raubte 500 Schafe. Am Dreikönigstag, dem 6. Januar 1521, wiederholte er seinen Überfall. Er legte Feuer, dem 8 Häuser des Dorfes zum Opfer fielen, erschoss einen Müller und ließ einen Bauern von seinem Pferd zertreten.
Die sozialen Umstände der Zeit führten zu zwei bedeutenden Ereignissen, eines erschütterte die Welt in ihren Grundfesten, das andere sorgte für große Unruhe in den deutschen Landen. Die Reformation und der deutsche Bauernkrieg entsprangen (? Anderes Wort wählen?) durch ihre Hauptprotagonisten in Thüringen, in unmittelbarer Nähe Vargulas.
Martin Luther war seit dem Sommersemester 1501 Student der Erfurter Universität, lebte in der Georgenburse an der Lehmannsbrücke und erwarb 1505 seinen Magister. Am 2. Juli 1505 (Wikipedia) erfuhr er bei Stotternheim ein einschneidendes Erlebnis inmitten eines Gewitters, es veränderte sein Leben. In der Folge trat er am 17. Juli 1505 in das Erfurter Augustinerkloster ein. In der Geschichte von Erfurt war er die bedeutendste Persönlichkeit der Stadt. Seine Zeit in Erfurt kann man im Treppenaufgang des Erfurter Rathauses „Am Fischmarkt“ in einem Bilderzyklus erkunden. Seine weitere Lebensleistung führte zur Reformation, die schließlich in der Spaltung der christlichen Kirche endete.
Thomas Müntzer war nach vorherigen Stationen Pfarrer der Marienkirche in Mühlhausen. Zu einem der Anführer des Deutschen Bauernkrieges wurde er erkoren. Besiegelt wurde sein Schicksal mit der Festnahme am 15. Mai 1525 nach der Schlacht bei Frankenhausen. Am 27. Mai des gleichen Jahres wurde er hingerichtet. Nicht die Mächtigen und Wohlhabenden Thüringer, sondern Rebellen und Revolutionäre schrieben in jenen Tagen Thüringer Geschichte.
Großvarula blieb von jenen Ereignissen weitgehend verschont. Arnstadt beschrieb auf den Seiten 98 bis 103 den Aufruhr der Bauern in Erfurt und Umland. Historische Abhandlungen wurden von Geschichtsschreibern verschiedener Couleur zu diesem Thema zur Genüge verfasst. Fragwürdig war die Darstellung Müntzers zu Zeiten der DDR und im vereinten Deutschland nach 1990.
Das Dach der Kemenate zu Vargula baute man im 16. Jahrhundert ebenso wie den Helm des Bergfrieds aus. (1) Die Burg wurde zu Beginn des 16. Jahrhunderts an den Orden der Karthäußer verpfändet und am 24. Dezember des Jahres 1532 wieder eingelöst. (Arnstadt)
Während Erfurts Abstieg bereits zu Beginn des 16. Jahrhunderts deutlich sichtbar wurde, trat dieser in Vargula erst Ende des Jahrhunderts ein.
Sicher gab es auch schon vorher in Vargula Pestfälle, die ersten schriftlichen Zeugnisse datieren aus den Jahren 1582 und 1597 mit 199 bzw. 562 Toten, so dass der Ort um 1600 nur noch etwa 1.000 Einwohner hatte.
Neben den Auseinandersetzungen mit dem Mainzer Erzbischof besiegelte noch eine andere gravierende Entscheidung den Weg Erfurts in die hinteren Reihen bedeutender Regionen in den deutschen Gebieten. Verbunden mit Erfurt trat Vargula gänzlich ab von der Weltbühne.
Kaiser Maximilian I., Herrscher über das Heilige Römische Reich Deutscher Nation, verheiratet mit Maria von Burgund, Erbin einer der reichsten Regionen in Europa, verlieh am 20. Juli 1497 das Messeprivileg gegenüber 5 benachbarten Bistümern (Magdeburg, Halberstadt, Meißen, Merseburg und Naumburg). Am 25. Juli 1507 erweiterte der Habsburger den Messebann auf 15 deutsche Meilen (ca.125 km) (Wikipedia). Praktisch durfte kein neuer Jahrmarkt in diesem Umkreis abgehalten werden. Damit überflügelte Leipzig alle Städte der Region um Längen an Bedeutung und begründete seine Stellung als bedeutendster Ort in der Mitte des Reiches und Tor zum Osten.
Vargula selbst lag nun weit ab von der Via Regia, einer uralten Handelsstraße, die mit der neuen Trasse der Messestädte von Frankfurt/Main kommend über Eisenach, Gotha, Erfurt, Naumburg nach Leipzig führte. Seit dem 20. Jahrhundert entspricht die Route der Autobahn A4 in Thüringen. Der alte Fürstenweg der Thüringer Landgrafen, der Ludowinger, verwandelte sich langsam aber sicher in Feldwege, damit lag Vargula weit ab von Handelswegen.
Das 16. Jahrhundert war geprägt von Auseinandersetzungen und Konflikten im Namen des Glaubens und gipfelte in einem der grausamsten und verheerendsten Kriege, die je auf deutschem Boden ausgetragen wurden. Luther folgte seinem Gewissen und prangerte die Missstände der katholischen Kirche an, andere Protagonisten benutzten ihn, um ihre machtpolitischen und damit verbundenen ökonomischen Interessen durchzusetzen. Andere Kräfte vereinten sich zu einem anderen Lager mit gleichen Beweggründen, nur einer anderen Ideologie. So kam es 1618 zum 30 jährigem Krieg, fremde und einheimische Mächte trugen ihn auf deutschem Boden aus. Leidtragende waren wie immer einfache Menschen, damals auf Grund der Bevölkerungsstruktur diebBauern. Am Ende des Jahres 1648 waren zwei Drittel der Bevölkerung den Kriegswirren, Hunger und Seuchen zum Opfer gefallen.
Auch Vargula war in diesen Krieg involviert, die Menschen ertrugen Entbehrungen unvorstellbaren Ausmaßes, dennoch existierte der Ort nach dem schrecklichen Ereignis im Gegensatz zu zahlreichen anderen Orten weiter.
Der erste evangelische Pfarrer in Vargula um 1540 hieß Reinhardi, von 1531 existieren den Ort betreffende Aufzeichnungen über den katholischen Magister Melchars. Ob die beiden zur damaligen Zeit noch existierenden Kirchen, St. Jakobus und St. Marien im Oberdorf, unterschiedlichen Konfessionen Platz bot, erwähnte keine unserer vorhandenen Chroniken.
Der Erfurter Baumeister Caspar Vogel war auch während des Krieges im Jahr 1624 an der Burg tätig.
In den Wirren des Krieges fielen um 1620 Kroatische Truppen im Auftrag des Katholischen Kaisers in der Gegend um Vargula ein. Unser Dorf selbst wird erwähnt. Am 27. Juli 1627 zogen Truppen des in schwedischen Diensten stehenden Obristen Hausmann von Vargula kommend gegen Herbsleben. In Vargula gab es am stillen Freitag (Karfreitag? Arnstadt) des Jahres 1628 Einquartierungen der Kroaten. Sie blieben 23 Wochen und drei Tage. Die Plünderungen im Ort waren gewaltig.
1631 zogen die kaiserlichen Truppen nach der Zerstörung Magdeburgs (20. Mai 1631) durch Thüringen. Am 15. Juni erreichten 30.000 Mann Vargula, nachdem sie am Vortag Herbsleben geplündert hatten. Zwei Söldner sollen laut dem Chronisten Toppius in Vargula ums Leben gekommen sein. Einer wurde auf dem Ried eingescharrt, nachdem er beim Baden in der Unstrut ertrunken war.
Am 18. Oktober 1632 raubten die Pappenheimer zwei Kelche und andere wertvolle Gegenstände der Bevölkerung, die sie der Kirche gestiftet hatten. Obrist von der Brinken mit Söldnern aus Kurhessen quartierte sich 1636 in Vargula ein. Arnstadt vermutet, der Ort war bereits so ausgeplündert, dass sie sich Lebensmittel in Herbsleben besorgten. Ein bekanntes Opfer der Zeit war die Tochter von Klaus Braunes aus Döllstädt. Sie und ihre Mutter wurden bei Vargula in die Unstrut getrieben. Das Mädchen überlebte nicht und wurde am 4. November 1636 auf unserem Friedhof begraben.
Erfurt wurde am 19. Dezember 1636 erneut von den Schweden besetzt. Der sächsische Kurfürst hatte sich inzwischen wieder auf die Seite des Kaisers gestellt. Deshalb wurde das Umfeld der Stadt von der katholischen Partei besetzt, die Schweden in der Stadt bis Kriegsende 1648 eingeschlossen. Sie bezogen Quartier auf der Zyriaxsburg. Ihr Anführer war Oberst Andreas von Sommerfeld.
In den letzten Kriegsjahren quartierten sich noch einmal hessische Truppen in der Burg Vargula ein. Dies geschah im Herbst 1645. Ebenfalls im Herbst 1646 lagen 150 Reiter mit Obrist Kannenwurf an der Spitze acht Wochen im Ort. Ein Schimpfwort hielt sich lange Zeit im Volksmund des Dorfes, „Du bist wie Kannenwurf“, er muss mit seinen Truppen großen Schrecken verbreitet haben. (Arnstadt) 1647 lagen der schwedische Generalleutnant von Königsmark und Generalmajor von Hammerstein mit einem Regiment in Vargula. Im Kirchbuch wurde berichtet: „1647, 3. September 1647 ist die Kirche St. Jacobi allhier geplündert worden von den Soldaten des General Königsmark Leib Regiment, ein und ein halber Tag hier gelegen. Die haben das Chorhemd und was sonst von den Leuten an Bettgewand, Getreide und Kleidung in die Kirche getragen, geraubt. Zu geschweigen wie übel sie sonsten hier gehaustet, da sie fast aus allen Scheuern das Getreide geworfen hatten und die Pferde hineingebracht.“ Im selben Jahr zog das gesamte schwedische Heer aus Böhmen ab, ihnen folgten die kaiserlichen Truppen. Auf ihrem Weg durch Thüringen fielen sie auch in Vargula ein. In den Wirren des Krieges war der Ort Wenigentennstedt entvölkert und wie viele anderen Orte von der Landkarte verschwunden. Der letzte Pfarrer des Dorfes war Andreas Toppius, der später im Jahr 1657 seine Chronik „Die Historie des Amtes und Dorfes Großen Vargila“ schrieb.
Ein Jahr vor Kriegsende am 8. September 1647 brannte Vargula, aber keine Kämpfe lösten das Feuer aus. Die Frau des Jacob Marggraf, Martha, wollte ihren Keller ausbrennen, der wahrscheinlich in der Hintergasse lag. Leider befand sich am Kellerloch Stroh, das sich entzündete und Feuer fing. Der Brand breitete sich rasch auf beiden Seiten der Unstrut aus und riss eine Schneise bis zur Schenke. Diese war erst mit erheblichen Kosten frisch renoviert worden und brannte mit ab. Insgesamt waren 13 Häuser, die Niedermühle und 7 Scheunen vernichtet. Auf Befehl des Ministeriums wurde die Frau mit den Geschädigten vom Pfarrer zur christlichen Versöhnung und Einigkeit ermahnt.
Am Sonntag nach Trinitatis des Jahres 1648 wurde der Frieden verkündet. Ein Schreiben des Amtmanns Valerius Fiedler vom 12. November 1649 beschreibt die Anwesenheit schwedischer Truppen im Ort auch nach Kriegsende. Sie blieben bis zum 16. Juni 1650. Die Feiern zum Ende des Krieges fanden erst am 8. September 1650 statt. Zum Feiern war sicher niemandem zumute. Hunger, Elend und Leid waren allgegenwärtig. Zu Beginn des Krieges lebten etwa 1.000 Seelen im Ort, dreißig Jahre später waren es nur noch etwa 400. Der Krieg und die Pest hatten sie dahingerafft. Die an der Pest gestorbenen Menschen des Dorfes wurden, wie schon vor dem Krieg, auf dem Gottesacker am Simonshügel begraben. Die Stadt Erfurt war mit dem Westfälischen Frieden keine freie Reichsstadt geworden. Kurmainz übernahm die Regentschaft wieder in Eigenregie. Erfurt war politisch, finanziell und ökonomisch am Ende. Nach kurzer Wehr im Streben um Unabhängigkeit zog am 12. Oktober 1664 der Erzbischof Johann Philipp von Mainz feierlich in Erfurt ein. Vargula war zu diesem Zeitpunkt bereits in anderen Händen, unabhängig von Erfurt.
Das Leben nahm nach dem schrecklichen Krieg wieder seinen gewohnten Lauf. Menschen zogen nach Vargula und bauten es wieder auf. Die wüste Flur wurde bestellt und 1662 lebten bereits 564 Menschen im Dorf.
Die Herrschaft, Burg und Ländereien gingen am 1. März 1652 von Erfurt an den Oberst Andreas von Sommerfeld. Er und seine Nachfahren waren die letzten Patriarchen von Vargula, aber das ist eine neue Geschichte.
Liste der Amtmänner nach Arnstadt:
1489 Kerstan Schorbrant
1489 - 1494 Pfandbesitz durch Graf Ernst von Hohenstein,
Amtmann
1492 Christian Schorbrant (von Schierbrant)
1492 Vogt (Vogt-Richter) Bernhard Marschall
1514 Hans Rose, Amtmann von Erfurt
1524 Hans Marghart
1580/1581 Hans Bueler
1601 Hans von den Sachsen
1618 Hans Christoph Scherer
1643 Valarius Fiedler
1706 Martin Wachtel
1711 Johannes Paul Seehuber
1770 Franz Anton Streit
1794 Franz Leopold Hunolt
1808 Apel
ab 1810 Franz Wilhelm von Hudenus, Kaiserlich Königlicher Beamter von Preußen